I. S. Bachs Bearbeitung der dlissa sine nomine von Palestrina. 125 strinas und anderer Meister dieser Zeit. Palestrinas Mssa 5me nomine (G.-A. X, 153) hat er folgendermaßen instrumentiert: Oboe I und Violine I folgen dem Sopran I; Oboe II und Vio line II dem Sopran II; Violine HI dem Alt; Viola I dem Tenor I; Viola II dem Tenor H; die Baßinstrumente dem Singbaß; Cem balo und Orgel, wenn der Singbaß pausiert, der jeweils tiefsten Stimme. Dieser Art der colla parte-Führung der Jnstrumentalstimmcn hat sich auch Joh. Seb. Bach bei seiner Begleitung dieser Messe bedient*). Aber bereits in der Besetzung zeigt sich ein tiefliegender Unterschied zwischen beiden Bearbeitungen, der auf eine andere Auf fassung der alten Kunst schließen läßt. Joh. Seb. Bach hat im Gegensatz zu allen anderen instrumentalen Begleitungen der Werke Palestrinas keine Streichinstrumente beigezogen, sondern läßt die Stimmen von Cornetto I/II, Trombone I/II, Trombone III/IV, Violone, Cembalo, Organo, mit Ausnahme der Fundamentinstru- mcnte, nur von Blasinstrumenten ausführen. Sie folgen genau der Singstimme, ohne Umspiclungcn zu versuchen. Diese Art der Besetzung nimmt nicht nur innerhalb der Palc- strinabegleitung, sondern auch im Schaffen Bachs eine Sonderstel lung ein. Er schrieb kein Werk ohne Streicherbegleitung (einzelne Abschnitte ohne Streicher besonders zur Solobegleitung widersprechen dem nicht), aber hier kam für seine Anschauung der Bläscrklang dem Vokalklang und der ganzen Auffassung des Satzes am nächsten. Joh. Seb. Bach empfand, daß zwischen der Kunst Palestrinas und der seiner Zeit ein großer innerer Unterschied bestand, und dieser Unterschied mußte bereits in der Eigenart der Besetzung auftreten. Wenn Bach auch dem Brauche seiner Zeit folgend den Satz Palestrinas durch Instrumentation dem „Gusto" seiner Zeit näher zu bringen suchte, so tat er dicS nicht, indem er die moderne Jnstrumentationskunst auf den polyphonen Satz übertrug, sondern indem er Instrumente beifügte die klanglich dem Vokalsatz am nächsten kommen. Mag sein, daß bezüglich dieser Bläscrbesctzung Bach eine alte Tradition der Aufführungspraxis *) Das Manuskript, das zum Teil von Joh. Seb. Bachs Hand hcrruhrt, befindet sich in der L.L. unter mus. ms. 16714 (vormals mus. ms. Bach autogr. 995): Nlssa L 6 vocl 6ue Sopran!, e4Ito, (lue Denar!, Lasso e 6 stroment! lii- pien! 6! Lraenesüno. Vgl. Spitts, I. S. Bach, 2. Aufl. 1916 II, 509.