Die „Bachsche Auction“ von 1789' Von Ulrich Leisinger (Freiburg i.Br.) I. Carl Philipp Emanuel Bach hinterließ bei seinem Tode am 14. Dezember 1788 eine umfangreiche Musikaliensammlung. Sie setzte sich nicht nur aus seinen eigenen Werken, seinem Anteil am väterlichen Erbe und Kompositionen seiner Brüder zusammen, sondern bestand auch aus Kompositionen, die er als Kammermusiker am Hofe Friedrich des Großen und als Musikdirektor der fünf Hamburger Hauptkirchen erworben oder von Freunden und Schülern zum Geschenk erhalten hatte. Über den Umfang und die Zusammensetzung seiner Sammlung geben zwei Verzeichnisse Aufschluß, die in der Forschung seit langem bekannt sind: das sogenannte Nachlaßverzeichnis (1790) 1 2 und ein Auktionskatalog (1805) 3 . Dieser letztere gibt den Bestand an Noten wieder, soweit sie sich beim Tode von Bachs Tochter Anna Carolina Philippina (1747 bis 1804), der letzten leiblichen Erbin, noch im Besitz der Familie befanden. Mit Hilfe dieser Verzeichnisse konnten viele Werke, die einst zur Notenbiblio thek von Carl Philipp Emanuel Bach gehörten, identifiziert werden, so daß sich das Schicksal des Bachschen Nachlasses in groben Zügen nachzeichnen ließ. 4 Aus einer Notiz im Nachlaßverzeichnis geht hervor, daß sich Bachs Witwe Johanna Maria nicht von den Originalhandschriften seiner Werke trennen wollte, aber Abschriften davon auf Bestellung anfertigen ließ. 5 Ebenso hielt 1 Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Christoph Wolff (Harvard University, Cambridge/ Mass.) und Frau Kirsten Beißwenger vom Bach-Institut in Göttingen. Sie haben meine Arbeit mit vielen Hinweisen unterstützt und entscheidend zur Identifizierung zahlreicher Quellen beigetragen. Dem Bach-Institut danke ich für die Möglichkeit, daß ich vor Ort die meisten der angeführten Quellen in Kopie einsehen konnte. 2 Ver^eicbniß des musikalischen Nachlasses des verstorbenen Capellmeisters Carl Philipp Emanuel Bach . . ., Hamburg 1790. Wiederabdruck durch H. Miesner, BJ 1938, S. 106-136, BJ 1939, S. 81-112, und BJ 1940/48, S. 161-181; Faksimileausgabe [hrsg. von R. W. Wade], The Catalog of Carl Philipp Emanuel Bacb’s Estate, New York und London 198 1. 3 Ver^eicbniß von auserlesenen, gut conditionirten, im Tbeil sauber gebundenen, meistens neuen Büchern und kostbaren Werken aus allen Tbeilen der Künste und Wissenschaften und in mehreren Sprachen, welche nebst den Musikalien aus dem Nachlass des seel. Kapellmeisters Bach wie auch einer Sammlung von Kupferstichen Montags, den 4tcn März 1805 in Hamburg im Eimbeckisehen Haus öffentlich verkauft werden sollen, Hamburg, Müller [1805]. 4 Vgl. R. Wade, Vorwort zur Faksimile-Edition des Nachlaßverzeichnisses, S. IX, X, a.a.O. (Fußnote 2) und E. N. Kulukundis, Bach in tbe Library of tbe Singakademie Z u Berlin, in: C. P. E. Bach Studies (hrsg. von St. L. Clark), Oxford 1988, S. 159-176. - Besonders viele Werke aus dem Bachschen Nachlaß (Kompositionen von Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Sebastian Bach, aber auch anderer Komponisten) befanden sich in der Sammlung von G. Poelchau (177 3-1836). Von dort gingen sie teils in die Bibliothek der Singakademie, teils in den Besitz der damaligen Königlichen Bibliothek Berlin über. 5 ..Wer von diesen Musikalien etwas zu besitzen wünscht, beliebe sich an die verwittwete