Kleine Beiträge Bach und Buxtehude. Eine wenig beachtete Quelle in der Carnegie Library zu Pittsburgh/PA Die Frage, in welchem Ausmaß Johann Sebastian Bach bereits vor seiner Reise nach Lübeck im Winter 1705/06 Werke Dietrich Buxtehudes kennengelernt haben könnte, ist von der neueren Forschung verschiedentlich diskutiert wor den. 1 Von seiten der Quellenkunde boten sich weitergehende Überlegungen insofern an, als seit der Identifizierung von Bachs ältestem Bruder Johann Christoph als Urhebersund Hauptschreibers der beiden wichtigen Sammelbände „Andreas-Bach-Buch“ und „Möllersche Handschrift“ ein bedeutendes Buxte hude-Repertoire in der unmittelbaren Umgebung des jungen Johann Sebastian Bach angesiedelt werden konnte. 2 Unglücklicherweise lassen die frühesten Eintragungen in jenen beiden Quellen sich jedoch kaum vor 1705 ansetzen, so daß auch hier wieder Fragen unbeantwortet bleiben. Eine willkommene Bereicherung des bisher Bekannten bietet eine Quelle, die der Bach- wie der Buxtehude-Forschung bisher nicht aufgefallen zu sein scheint - erklärlich angesichts der Tatsache, daß diese Handschritt in keiner der „zu ständigen“ Bibliotheken aufbewahrt wird. Daß die Forschung überhaupt auf sie aufmerksam wurde, verdankt sie den Bemühungen von zwei Bibliotheka rinnen um Unterstützung bei der Lösung eines jahrzehntealten Rätsels. Nach Auskunft des noch vorhandenen Schriftwechsels 3 wandte sich Irene Millen, die Musik bibliothekarin der Carnegie Library zu Pittsburgh (Pennsylvania, USA) im Dezember 194 1 an den Leiter der Musikabteilung der Library of Congress zu Washington/DC Harold Spivacke 4 mit der Bitte um Sicherungsverfilmung einer in der Carnegie Library vorhandenen Buxtehude-Quelle, die nach alter Überlieferung als autograph gelte. Spivackes Antwort vom 27. Januar 1942 besagte, daß infolge der Kriegsereignisse lediglich erstrangige Quellen ameri kanischer Musik aufgenommen werden könnten, Irene Millen möge sich mit Otto E. Al- brecht 5 in Philadelphia als dem Spezialisten für frühe europäische Musik in Verbindung setzen. Dies geschah, ohne jedoch zu entscheidenden Neuerkenntnissen zu führen; in seinen Auto graphenkatalog 6 nahm Albrecht die Buxtehude-Handschrift nicht auf. Dem Einsatz von Kathryn P. Logan, der derzeitigen Musikbibliothekarin der Carnegie Library ist es zu verdanken, daß der Verf. - über Ton Koopman und Christoph Wolff - von der Existenz der Quelle“ erfuhr und sie im Herbst 1989 an Ort und Stelle einsehen konnte. Es handelt sich um 3 Einzelblätter (vielleicht den Rest eines Binio) vom For mat 32,7 X 19,3 cm; als Wasserzeichen sind zu erkennen: Bl. 1 Buchstabe c, 1 Vgl. BJ 1985, S. 108 (C. Wolff); Tbe MusicalQuarterly 71, 1985, S. 249 (R. Stinson); R. S. Hill, The Möller Manuscript and tbe Andreas Bach Book: Tiro Keyboard Antbologies from tbe Circle of tbe Young Johann Sebastian Bacb, Dissertation (masch.-sehr.), Cambridge/MA 1987, S. 19 if. 2 Schulze Bach-Überlieferung, S. 3off.; Hill, a.a.O., passim. 3 Der nachstehend beschriebenen Quelle beiliegend. 1 1904-1977. 5 1899-1984. 6 A Census of Antograpb Music Manuscripts of European Composers in American Libraries, Phil adelphia 1953. 7 Pittsburgh/PA, The Carnegie Library; Signatur: Class j86.8 Book B 98. 12 6271