KLEINE BEITRÄGE Forkel und die Köthener Trauermusik Johann Sebastian Bachs Über Bachs künstlerischen Beitrag zu den am 25. und 24. März 1729 in Köthen abgehaltenen Beisctzungs- und Trauerfeierlichkeiten für seinen einstigen Dienstherrn Fürst Leopold von Anhalt-Köthen ist die Nachwelt durch den von Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Friedrich Agricola verfaßten, 1754 in Mizlers Musikalischer Bibliothek abgedruckten Nekrolog unterrichtet. Es heißt da, auf Bach bezogen: „Er hatte noch das traurige Vergnügen, seinem so innig geliebten Fürsten, die Leichenmusic von Leipzig aus, zu verfertigen, und sie in Person in Cöthen aufzuführen“ (Dok III, Nr. 666, S. 84). Diese Leichenmusic hat die Forschung immer wieder beschäftigt. Sie ist ver schollen. Doch konnte im vorigen Jahrhundert Wilhelm Rust (BG 12/2 [1863], S. V; BG 20/2 [1873], S. VIII ff.) mit der Kantatendichtung „Klagt, Kinder, klagt es aller Welt“ aus Picanders Ernst-Scbertzhafften und Satyrischen Gedich ten (1732, 1748) eine für die Köthener Trauerfeierlichkeiten entstandene Text vorlage beibringen und anhand prosodischer Korrespondenzen zur Matthäus- Passion und zu der Trauer-Ode BWV 198 nachweisen, daß Picanders Text auch wirklich für Bach verfaßt und von diesem - teilweise im Rückgriff auf bereits Vorhandenes - in Musik gesetzt worden war. Während die ältere Forschung, wie die Formulierung des Nekrologs nahelegt, ohne weiteres davon ausging, daß es sich bei Bachs Leichenmusic um eine ein zige Komposition handelte, und einfach von „der“ Köthener Trauermusik sprach und diese seit Rust und Spitta (I, S. 766; II, S. 450) mit der Picander- Kantate „Klagt, Kinder, klagt es aller Welt“ BWV 244 a gleichsetzte, konnte Friedrich Smend (Bach in Köthen. Berlin 1951, Kap. X und XI) anhand wie deraufgefundener Dokumente zeigen, daß wir nicht nur mit einer, sondern mit zwei Köthener Funeralkompositionen zu rechnen haben: Außer der Trauer kantate BWV 244 a, die am Morgen des 24. März im Gedächtnisgottesdienst in der reformierten Köthener Stadtkirche aufgeführt wurde, erklang eine weitere Trauermusik zur Beisetzung des Fürsten am Abend des 23. März. Ein von Smend aus Köthener Hofakten beigebrachter Honorarauszahlungsvermerk (Dok II, Nr. 239) bezieht sich ausdrücklich auf beide Darbietungen. Der Ak tenbeleg nennt Bach an der Spitze der Musiker und als einzigen mit Namen und Titel; es ist also nicht daran zu zweifeln, daß auch die abendliche Beiset zungsmusik unter seiner Leitung gestanden hat, und infolgedessen ist kaum ein Zweifel daran möglich, daß auch sie aus seiner Feder stammte. Bedauerlicher weise hat sich von diesem Werk jedoch noch weniger erhalten als von dem am nachfolgenden Tage aufgeführten: Wir kennen nicht einmal den Text. Obwohl mit Quellenfunden in den letzten Jahrzehnten nicht eben verwöhnt, konnte die Bach-Forschung bislang immer noch hoffen, daß wenigstens eine der beiden Trauermusiken wieder auftaucht. Veranlassung dazu boten zwei Bemerkungen in Johann Nicolaus Forkels Buch Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke (Leipzig 1802) und ergänzend dazu der 1819