Chr. Gottlob Wecker 95 Ob er den Weißenfelser Aufenthalt meint und was sonst in der „3wöchentlichen Abwesenheit" — die ja die Zeit zwischen 23. 2. und 20.3. nicht ausfüllt! — geschehen sein mag, muß vorläufig ungeklärt bleibenH. Durch die Berufung Schotts geht Bachs an scheinend langgehegter Wunsch in Erfüllung, eines der beiden Lollegig. musica zu übernehmen und dadurch mit den Studenten, die er vor allem auch für seine Kirchenmusik brauchte, in noch nähere Be ziehungen zu treten; und zwar ist es das ältere der beiden, das seinerzeit von Telemann gegründete, dessen Leitung nun in Bachs Hände übergeht 2). Was es mit der „zu fordernden Hauckwitzischen Schuld" für eine Bewandtnis hat, bleibt unklar und ist wohl auch unwesentlich; eine der interessantesten Stellen des Briefes ist hingegen die Er wähnung der „Passion". Gemeint ist ohne Zweifel die Matthäus passion: Wecker hat anscheinend von der bevorstehenden Fertig stellung des Werkes Kenntnis gehabt und möchte es nun zu seiner Einführung in Schweidnitz aufführen. Über die näheren Um stände scheint Wecker aber nicht orientiert gewesen zu sein; denn einerseits berührt es eigenartig, daß Wecker die doch noch gar nicht uraufgeführte Matthäuspassion, die Bach ja am Karfreitag des gleichen Jahres in seiner Thomaskirche zum erster: Male zum Er klingen brachte, sofort für seine Schweidnitzer Kirche ausbittet. Auch scheint der neue Schweidnitzer Kantor die ungeheueren Aus maße der Passion und ihre Anforderungen nicht gekannt zu haben. Vielleicht hat er die normale, ihm ja bekannte Kantatmbesetzung unterrichtet gewesen sein, und Bach selbst würde sich, ein noch unvollendetes großes Werk vor Augen, schwerlich kurz vor der Karwoche zu einer längeren Reise entschlossen haben. Die Entlastung Schotts kam am 22. 3. im Ratskollegium zur Sprache; man bewilligte ihm eine besondere CrgöHlichkeit von „2 Duzend Species Tha- lern". Seine Vokation nach Gotha war bereits in der ersten Marzwoche (also in Bachs Abwesenheit) herausgekommen, denn am 10. 3. liegen dem Rats schon 5 Bewerbungsschreiben um seine Stelle vor. t) Ist die Reise nach Weißsnfcls gemeint, dann müßte nach Bachs Rückkehr bis zur Abfassung des Briefes eine Reihe von Tagen verstrichen sein; andernfalls bliebe nur die Annahme einer anderen, zeitlich nach dem Weißenfelser Aufenthalt liegenden und uns bisher unbekannten dreiwöchentlichen Reise übrig. 2) Vgl. Spitta, a. a. O. II, S. 50.