Die Vokalihemarik Ioh. Seb. Bachs 3 fendes Herz, sein Lachen, kurz, irgendeine oder mehrere Begleit erscheinungen seines Affektes, sofern man sie sich noch als gehörte vorzustellen vermag, in seinem Orchester erklingen läßt. Aber die Komponisten des Barock unternahmen eS nun auch, nur Gesehenes in ihren Partituren abzubilden: die züngelnde Flamme, die Kurve des geworfenen Steins, dm rauckenden Opferbrand. Das, was mit leichtverständlichen, musikalischen Parabeln die Meister des Madrigal lange vor dem ,sti1o rappresentativo' aus- gebildet, was dann von allen Komponisten in der Folge gepflegt und weitergeführt wurde, findet in Bach seinen letzten Vollender, der es aber auch an die Grmze des Möglichen führt, indem er Ge bärden und Gesten, also nicht einmal mehr mit der Vorstellung eines Gegenstandes direkt Verbundenes, sondern freie Bewegungskurven, von der kleinen wegwerfenden Handbewegung bis zu dem sich in Verzweiflung niederstürzenden Menschen, in Tönen schildert. Das gtaubm wir nun aber in höchstem Maße abstrus halten zu dürfen, denn seit 1740 hat ja die Musik ganz neue Bahnen gefunden, drama- tiscbe Momente zu gestalten. Damals wurde die lebendige Kraft des Rhythmus erkannt. Dmn wie anders konnte er sich entfalten, als er nicht mehr durch den beständigen Wechsel der Harmonie zu regelmäßigen Schritten, gleich denen einer arithmetischen Reihe, gezwungen war, sondern in einer auf vier, acht oder mehr Takte festgelegten Harmonie, wie bei einer geometrischen, die Freiheit des Accelerando bekam. Es ergaben sich Möglichkeiten dynamischer Effekte und ganz anderer, willkürlicherer Gewichtsverteilung, was natürlicherweise auf jede Art ausgenutzt wurde und worin schon 100 Jahre später Beethoven die Vollendung gab. Obwobl nun diese dramatische Art des Rhythmus dem modernm Liebhaber der Musik näher steht, weil sie direkt auf das Gefühl wirkt, werden wir ihr doch vor jener anderen Art Bachs nicht ohne weiteres den Vorzug gebm dürfm, vielmehr werden beide als gleich wertig nebeneinanderstehend einzuschätzen sein. Ich muß, um die Berechtigung dieser Behauptung zu erweisen, versuchen aufzuzeigen, daß Bach mit seiner Art zu komponieren das, was er zur drama tischen Gestaltung verwendete, nicht nur als etwas auf dem Papier, d. h. in der Partitur, Gesehmes, sondern gerade als etwas durch das Gehör Aufzunehmendes geschaffen hat.