12 William H. Scheide später Glauben schenken dürfen, daß „die musikalischen Kirchen-Stücke so im ersten Chore gemachet werden . . . meistens von meiner compo- sition sind“ (Spitta II, S. 897). Ferner ist erwähnenswert, daß 1726 das Jahr der ersten Druckveröffentlichung JSBs war (Klavier-Partita B-Dur, BWV 825), mit der die bekannte Reihe der Klavier-Übungen eröffnet wurde 16 . Daß hierdurch ein Wechsel in Bachs Interessen und eine Abwen dung von der Kantatenkomposition gekennzeichnet wird, zeigt sich auch in Anna Magdalenas Bachs Klavierbüchlein von 1725, das mit autographen Reinschriften der dritten und sechsten Partita der Klavier-Übung I eröffnet wird 17 . Daraus läßt sich schließen, daß JSB den Beschluß, die JLB-Kantaten seinem dritten Jg. einzuverleiben, aus folgenden Gründen faßte: 1. Ihm fehlten Texte für die meisten Kantaten der nachösterlichen Zeit; 2. er nahm keinen Anstoß daran, Musik von solch dürftiger Qualität in den Gottes diensten aufzuführen, für die er verantwortlich war; und 3. sein musikalisches Hauptinteresse verlagerte sich offenbar weg von der Kirchenmusik. Zu mindest ist dies die Zeit, in die auch seine ersten Leipziger Mißhelligkeiten (mit der Universität) fallen. So begann er die JLB-Partituren abzuschreiben und vertraute die Stimmen seinen Kopisten an, wie er es mit seinen eigenen Werken zu tun pflegte. Das ging so fort bis zum Sonntag Misericordias Domini. Dann fand er offenbar, daß die Werke JLBs so einfach waren, daß man nur Stimmen brauchte. Der Leiter der Aufführung konnte sich in ausreichendem Maße am Continuo orientieren. Von hier an besitzen wir nämlich keine von JSB der Bilder) zu Picanders Jahrgang. BWV 104 scheint eine Art Nachzügler zu sein, ähn lich wie BWV 79 innerhalb der in Anmerkung 14 behandelten Gruppe. Auch BW'V 67 ist die letzte aus einer Gruppe von Kantaten des Jgs. I. Die madrigalischen Sätze sind wiederum in Picanders Stil gehalten, und die ganze Gruppe scheint tatsächlich die Fort setzung jener eben erwähnten zu sein, lediglich mit dem Zusatz eines oder zweier Choralsätze. Wie man unten sieht, ist BWV 144, die vermutliche Vorlage der nachöster lichen Weiß(?)-Texte, hier zwischen BWV 65 und 67 eingeschlossen, jedoch ist sie kürzer als alle übrigen. Ihre abweichende Form dient vielleicht als Hilfsmittel zur Er klärung der chiastischen Formvariante von BWV 67. Es folgt eine Übersicht über die Anlage der genannten Kantaten (A = Arie, AT = Bibelwort des Alten Testaments, C = Choral, NT = Bibelwort des Neuen Testaments, R = Rezitativ): 19. p. Trin. BWV 48 NT R C A R A C 2. Weihn BWV 40 NT R C A R CA C 3. Weihn. BWV 64 NT C R C A R A C S. n. Neujahr BWV 153 CRAT R C A R A C Epiphanias BWV 65 AT C R A R A C Septuages. BWV 144 NT A C R A C Quasimodogen. BWV 67 NT A R C R A C 16 Vielleicht ist es kein bloßer Zufall, daß Bach dieses Jahr als einen Angelpunkt in seiner Laufbahn betrachtete, da die Zahl 41 (Bachs Alter 1726) in Bachs Zahlensymbolik gleich bedeutend mit „J. S. Bach“ war. 17 Vgl. G. v. Dadelsen, Kritischer Bericht zu NBA V/4, S. 7} und 76.