Typifctie Stufengänge im ßacbfchen Suitenfaß Von Friedrich Neumann (Salzburg) Die folgenden Ausführungen wollen die Aufmerksamkeit der Musikfor schung auf eine Tatsache lenken, die zwar im allgemeinen zugegeben wird, im einzelnen aber noch kaum erforscht ist: die Tatsache, daß die Harmonie bewegung in Bachs Werken nicht nur im Kleinen, sondern auch im Verlauf ganzer Sätze sich weithin von gewissen Typen her verstehen läßt, die sich weiter in genetische Reihen und zuletzt in einen Gesamttypus einordnen lassen. Der Weg zum Erkennen dieses Typus sei hier kurz geschildert: Eine große Zahl von verwandten Fällen wird verglichen, gemeinsame Züge werden abgehoben, der verwickeltere Fall wird an den einfacheren geknüpft, der Schritt von diesem zu jenem begrifflich erfaßt. DieFiliation wird fortgesetzt, und es ergibt sich zuletzt ein verzweigtes Netz von verwandten Fällen, die auf einen gemeinsamen Ursprung deuten. Dabei zeigt sich nun, daß die sich herausschälenden Typen in sehr verschiedenem Grade prägnant sind. Wohl- umrissene, bis in die Einzelheiten der rhythmischen Anordnung hinein scharf geprägte Gestalten finden sich neben fließenden, schwer abzugrenzen den Typen, Fällen, die sich mühelos zuordnen lassen, stehen ungesellige und sperrige Einzelgänger gegenüber. Wer irgend sich mit Typenforschung be schäftigt hat, wird dieses Verhältnis kennen und bestätigen, daß sich die Pflanzenfamilien des Botanikers, die Tiergattungen und -arten der Zoologie ganz ähnlich verhalten. Für die vorliegende Arbeit heißt das, daß die Exem plare dem Typus nicht immer ganz eindeutig zuzuweisen sind und man manchmal streiten könnte, ob dieser oder jener Fall vorliegt oder ob man nicht zwischen die festgesetzten Typen noch weitere interpolieren soll. Doch sind solche Schwierigkeiten im einzelnen für die Gesamtlage von ver hältnismäßig geringer Bedeutung. Der Stoff, an dem diese Typik hier entwickelt werden soll, kann natürlich nur ein begrenzter sein: Es soll die harmonische Anlage des Bachseben Suitensatzes zum Problem gemacht werden. Untersucht werden die Suiten sätze der Klaviersuiten — Französische Suiten, Englische Suiten, Partiten —, der Suiten für Violoncello allein und der Sonaten für Violine solo. Alle Sätze, die sich, nicht schon durch das Wiederholungszeichen als typische Suitensätze erkennen lassen — also Präludien, die Fugen der Violinsonaten u. a. —, wurden ausgeschieden. Nicht berücksichtigt wurden die Orchester suiten, da sie den Stoff nur äußerlich vermehrt, kaum aber innerlich berei chert hätten. Der harmonische Verlauf des einzelnen Suitensatzes schlägt sich in Stufen nieder, die Folge dieser Stufen ergibt den Stufengang. Um nicht in der empiri schen Breite der Einzelfälle unterzugehen, ist eine Reduktion der Stufen, ein Zurückführen auf die wesentlichen Stufen nötig. Wenn ein Satz einige Takte lang eine bestimmte Tonart festhält, so brauchen nicht alle Stufen dieser Tonart in den Stufengang hineingenommen zu werden, sondern nur