Eisenach zur Zeit des jungen Bach Von Claus Oefncr (Eisenach) In seiner Geburtsstadt Eisenach verbrachte Johann Sebastian Bach lediglich das erste Jahrzehnt seines Lebens zwischen 1685 und 1695. Nach dem Tode beider Eltern ist er bereits am 20. Juli 1696 als Schüler des Ohrdrufer Ly zeums nachweisbar. 1 An archivalischen Belegen aus diesem Jahrzehnt sind nur der Taufeintrag, Nennungen in den Schülerlisten sowie die Bitte der Hinter bliebenen Johann Ambrosius Bachs um das Gnadenhalbjahr bekannt. 2 Doku mente für eine spätere Anwesenheit Johann Sebastian Bachs in Eisenach gibt es nicht. Die Quellenlage ist aber bezüglich der Lebensumstände eines zehn jährigen Knaben ganz normal. In Ermangelung weiterer Dokumente soll des halb versucht werden, das Lokal- und Zeitkolorit jener Jahre zu kennzeichnen, um damit ein Bild zu gewinnen von dem, was um den Knaben Sebastian herum geschehen ist, was ihn beeinflußt und möglicherweise geprägt hat. Die bekannte Stadtansicht aus Merians „Topographia“ zeigt Eisenach etwa um 1650 und vermittelt einen Eindruck von der baulichen Beschaffenheit. Die zu Füßen der Wartburg liegende Stadt ist mehr oder weniger dicht bebaut und von einer noch vollständigen Mauer umgeben. Der Eintritt in die Stadt ge schah von Osten durch das Nicolaitor, von Süden durch das Frauen- und das Predigertor, von Westen durch das Georgentor und von Norden durch das kleinere Nadeltor. Die Ausgabenseiten der Stadtrechnungen'* lassen erken nen, daß an den Toren sowie an der Stadtmauer um 1680/90 noch regelmäßig Reparaturen vorgenommen wurden, die Tore sich mithin noch in funktions tüchtigem Zustand befanden. Grund dafür mögen in gleicher Weise die aus dem „Sperrgeld“ gewonnenen Einnahmen wie auch die Angst vor möglichen Überfällen durch die Türken gewesen sein. Zentren der Stadt waren der Sonn abendsmarkt mit der Nicolaikirche, der Mittwochsmarkt mit der Georgenkirche sowie der Frauenplan mit der zweitürmigen Kirche „Unser lieben Frauen“ (auch Marienkirche). Der junge Bach kann diese Kirche nur noch als einen Steinbruch kennengelernt haben. Sie war im Bauernkrieg zerstört und nicht wieder hergerichtet worden. Auf den Plätzen wurde jährlich zwei- bis drei mal (nach Misericordias und Reminiscere sowie vor Michaelis) Jahrmarkt ge halten. 4 Die Statistiken des Kirchenbuches 3 lassen im Zeitraum zwischen 1660 und 1700 ein Wachstum der Bevölkerung erkennen, das am deutlichsten an der Zahl der Kommunikanten abzulesen ist: 1 Dok n, S. 6 f. 2 Dok H, S. 5-6. 3 Kreisarchiv Eisenach, Abteilung Stadtarchiv (nachfolgend nur Stadtarchiv genannt). 4 Superintendentur-Archiv Eisenach, Tagebuch des Kirchners zu St. Georgen i6S}-i779, ohne Signatur. 3 Stadtkirchnerei Eisenach.