Fragen zur Fagottbefetzung in ben kirchenmufihalifchen Werken Johann Sebaftian Bache Von Konrad Brandt (Halle a. S.) In den letzten Jahrzehnten ist die Frage, ob in den kirchenmusikalischen Werken Bachs der Continuopart von der Orgel oder dem Cembalo auszu führen sei, heiß und wortreich diskutiert worden. Eine Fülle von Aufsätzen liegt uns zu diesem Thema vor, ohne daß es heute als abgeschlossen gelten kann. Welche Baßinstrumente sich aber am Continuo zu beteiligen haben, diese Frage scheint darüber vernachlässigt worden zu sein. Ob es um den Einsatz des Kontrabasses oder um den des Fagottes geht: An eindeutigen und vertrauenswürdigen Richtlinien mangelt es heute völlig. So bleiben die diesbezüglichen Entscheidungen in letzter Instanz dem Dirigenten überlas sen, der sich dabei meist kritiklos dubiosen Konventionen beugt. Die ganz offensichtlich herrschende Ratlosigkeit wird vornehmlich in Fra gen der Fagottbesetzung durch eine zwar sehr bequeme, aber etwas zu ein fache Theorie bemäntelt, die, da sie durch die meisten gedruckten Fagott stimmen unterstützt wird, allmählich zum Gesetz erhoben zu werden droht: In den Stücken, für die Oboen vorgeschrieben sind, bläst das Fagott den Continuopart mit, ansonsten schweigt es; mit einer solchen Faustregel be gnügt man sich. Diese Art der Fagottverwendung wird vom Herausgeber der Fagottstimme des Bärenreiter-Verlages (nach der Neuen Bach-Ausgabe) zur ^-Moll-Messe konsequent auf die Spitze getrieben. Grundsätzlich wird hier der Continuopart der Stücke übernommen, bei denen eine oder mehrere Oboen beteiligt sind. Die Takte jedoch, während derer die Oboen pausieren, werden — ohne daß auf den Verlauf der Stimme Rücksicht genommen wür de — rein schematisch klein gedruckt, während das übrige in normalem Stich steht. Es wird demnach zwar nicht erwartet, daß das Fagott unbedingt zusammen mit den Oboen pausiert; zumindest wird aber diese Möglichkeit vorbereitet, und es muß damit gerechnet werden, daß hiervon Gebrauch gemacht wird. Das Verfahren mutet um so hilfloser an, als doch der von Bach stammende Fagottpart des ersten Teils des Gesamtwerks (Kyrie und Gloria) diesem unmißverständlich widerspricht. Mehrere Gründe sprechen ganz entschieden gegen eine solche Praxis, die dem Fagott nur in Verbindung mit den Oboen aufzutreten gestattet und einen anderweitigen Gebrauch ausschließt: i. Es wird a priori davon ausgegangen, daß die Oboen und das Fagott als Mitglieder einer Instrumentenfamilie zusammengehören. Diese weitver breitete Ansicht, wie sie auch in populären Lexika zu finden ist, wo das Fagott gern als Baßoboe bezeichnet wird, ist jedoch, sowohl historisch als auch instrumententechnisch gesehen, falsch. In der Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelte sich aus den tiefen Bomharten die Familie der Fagotte. Zunächst nur aus rein äußerlichen Gründen, näm lich zur besseren Handhabung, ging man dazu über, die Länge der Born- 5 Bach-Jahrbach