6 Hans-Martin Pleßke Wissenschaftler 3 bewegte: „Mir scheint, es habe uns das ständige An schauen seiner Denkmäler den Blick für die wahre Gestalt des Menschen Bach und seines Werkes verdorben.“ 4 Die seitdem in immer stärkerem Maße auch über die Grenzen Deutschlands hinausragenden Bemühungen um eine Intensivierung der Bachforschung haben inzwischen dazu geführt, daß sichere Grundlagen zur Erarbeitung des neuen Bachbildes gewonnen wurden. Unterziehen wir nun zweihundertfünfundsiebzig Jahre nach der Geburt Johann Sebastian Bachs die Darstellung seines Lebens und Wirkens sowie die Widerspiegelung seiner Musik in der deutschen Dichtung einer kriti schen Würdigung, so könnte sich durchaus die Frage erheben, ob ein sol ches Unterfangen eigentlich lobenswert ist. Der Berliner Bibliothekar Karl Theodor Bayer faßte die Ergebnisse seiner Ermittlungen 1936 in einem gut fundierten Beitrag 5 zusammen; er weist in der beigefügten Bibliogra phie rund 60 Titel zum Thema Bach in der Dichtung nach. Inzwischen ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Zählt man heute die Romane, Novellen, Erzählungen und Dramen zusammen, die dem Thomaskantor oder einem seiner berühmten Söhne gewidmet sind, versucht man ein wenig der weit verstreuten Lyrik beizukommen, beschäftigen wir uns aber auch mit solchen Dichtungen, in denen Bachs Musik eine besondere Rolle spielt, so beläuft sich die Zahl der Titel auf über 280, wobei das wiederholte Erscheinen ein zelner Werke noch völlig unberücksichtigt bleibt 6 . Es liegt durchaus in der Natur unseres Stoffes, daß auch ein eifriger Samm ler nie zu endgültigen Ergebnissen gelangt, weil eine fortlaufende Sichtung des Zeitschriftenmaterials, die Berührung mit Gedichtbänden oder nur schwer zu erschließenden Prosa-Sammelwerken immer wieder zu neuen, ja häufig unvermuteten Funden führen 7 . 3 Vgl. hierzu auch G. Knepler, Bemerkungen zum Wandel des Bachbildes. In: Bericht über die wissenschaftliche Bachtagung der Gesellschaft für Musikforschung, Leipzig, 23. bis 26. Juli 1950. Leipzig 1951, S. 308 — 319. Darin besonders wichtig seine Forderung einer Bach geschichtsschreibung, die „die Legende endgültig hinter sich läßt“. 4 Melos. Jg. 17. 1950, S. 305. 5 J. .V. Bach und G. F. Händel in der Dichtung. In: Dichtung und Volkstum. Bd. 37. 1936, S. 235 — 255. — Vgl. ferner E. W. Böhme, Bach als Motiv erzählender Dichtung. In: Das Thüringer Fähnlein. Jg. 4. 1935, S. 171—173. — E. W. Böhme, Johann Sebastian Bach und Söhne auf der Bühne. In: Das Thüringer Fähnlein. Jg. 3. 1934, S. 14—17. — E. W. Böhme, Die Familie Bach in Dichtung und dramatischer Gestaltung. In: Thüringer Monatsblätter. Jg. 41. 1933, S. 34—36. — K. Spindler, Obersachsens große Musiker in der deutschen Dichtung. In: Sächsische Heimat. Jg. 5. 1921/22, S. 298—300. — F. Plenzat, Die Musik im Spiegel der musikalischen Unterhaltungsliteratur der deutschen Komantik. Phil. Diss., Leipzig 1919 (Über Bach S. 118 — 131). 6 Es muß speziellen Untersuchungen überlassen bleiben, wieweit Bach in die Belletristik über Händel,Mendelssohn (Wiederaufführung der Matthäuspassion im März 1829) und Friedrich II. (Begegnung in Potsdam im Mai 1747) einbezogen wurde. 7 Herrn Dr. Böhme, der mir 1953 seine Unterlagen über Bach in der schönen Literatur überließ, bin ich zu besonderem Dank verpflichtet.