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102 Carl Dahlhaus (T und D) 2usammengesetzt werden, ohne daß an den Übergängen irregu läre Intervalle entstünden. Zu Bachs Form der Permutationsfuge fehlt also nicht die Kompositionstechnik, sondern der sukzessive Zusammenhang der Kontrapunkte in den einzelnen Stimmen: die „verwechselten Themata“ in Form einer Fuge zu exponieren, ist nur sinnvoll, wenn sie eine zu sammenhängende Stimme bilden. Nach Johann Gottfried Walthers Definition der Fuga doppia wäre die Per mutationsfuge als ein Sonderfall der Doppelfuge zu verstehen: „Fuga dop pia, eine Doppel-Fuge heißet: wenn zwey, drey bis vier themata mit ein ander zugleich sich hören, und auf unterschiedliche Art umkehren lassen, so, daß jedes bald oben, in der Mitte, und unten zu stehen kommt, und doch allezeit eine richtige Harmonie vernommen wird“ (266). Die Beschrei bung schließt außer der Permutationsfuge und der Instrumentalfuge mit ob ligaten Kontrapunkten auch den bloßen Stimmtausch ein, denn der Begriff der „Fuge“ forderte im 17. und frühen 18. Jahrhundert weder den T-D- Wechsel noch das sukzessive Einsetzen der Stimmen; es genügte, wenn ein Thema in einer anderen Stimme wiederholt wurde. Genauer, wenn auch immer noch nicht eindeutig, ist Marpurgs Beschrei bung in der Abhandlung von der Fuge (Band I, 1753). Der Begriff der „zwey-, drey- oder vierstimmigen Doppelfuge“ setzt nach Marpurg nicht voraus, daß die Themen auch einzeln durchgeführt werden. „Man kann alle Sätze ohne einen jeden besonders vorher zu arbeiten, sogleich nach einander und zwar auf folgende Art einführen“. Marpurg unterscheidet drei Arten der Exposition einer Doppelfuge; die dritte kann als Permutationsfuge verstan den werden. „(+ +) Wenn die anhebende Stimme ihr Thema vollendet hat, so läßt man sie sobald die folgende Stimme dasselbe wiederhohlet, und zwar insgemein nach einer kleinen Pause, damit der Unterscheid der Sätze desto merklicher sey, ein neues dagegen ergreiffen. Nach dieser Art findet man viele Doppelfugen vom Herrn Kuhnau und auch der Herrn Capell- meister Bach gesetzet . . . Nach der Art bei (-j—|—|-) läßt man die andere Stimme, sobald sie den vorigen Satz wiederhohlet hat, ein neues, und die dritte, sobald diese den Satz der zweyten Stimme wiederhohlet hat, ein vier tes Thema ergreiffen, während der Zeit die vierte Stimme den Satz der drit ten wiederhohlet“ (133-34). Die Beschreibung ist fragmentarisch, und Bei spiele der drei- und vierthematischen Fuge fehlen 4 . Kontrapunkt 1-2 wird nach Marpurgs Worten von der ersten, Kontrapunkt 3 von der zweiten und Kontrapunkt 4 von der dritten Stimme exponiert; die zweite Stimme wie derholt das Thema der ersten (Kontrapunkt 1) und den vorigen Satz (Kon trapunkt 2), die dritte Stimme den Satz der zweiten (Kontrapunkt 3) und die vierte Stimme den Satz der dritten (Kontrapunkt 3). 4 Am Schluß des Kapitels schreibt Marpurg: „Von Fugen mit drey und vier Subjecten wird in den Beyträgen gehandelt werden“ (145). Doch hat er sein Versprechen in den 1754—62 erschienenen fünf Bänden der Historisch-kritischen Beyträge %ur Aufnahme der Musik nicht eingelöst.