8 Hans-Martin Pleßke ständigen Bachausgabe herangingen. Auch wenn Bachs Musik von einzel nen noch gepflegt wurde, so blieb die Mehrzahl seiner Kompositionen un bekannt. Schon Telemann schätzt ja in seinem Bach-Sonett Philipp Emanuel weitaus höher ein als den alten Bach, der nicht einmal in Gottscheds Ver sen zum „Lobe Germaniens“ erwähnt wird, obwohl Musiker und Dichter 27 Jahre nebeneinander in Leipzig wirkten 15 . Im Grunde genommen blieb Bach im ersten Jahrhundert nach seinem Tode eine unpopuläre Gestalt. Seine wahre Größe als Musiker wurde kaum er kannt, selbst wenn sich Haydn, Mozart oder Beethoven mit einzelnen seiner Werke beschäftigten oder der 12 jährige Felix Mendelssohn im November 1821 als Goethes Gast in Weimar dem Dichter Bach vorspielte 16 . Dieser Umstand ist zu berücksichtigen, wenn wir uns nach der Belletristik Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts umsehen. Zunächst hält nur Johann Friedrich Reichardt einige Anekdoten 17 aus Bachs Leben fest, der Musikhistoriker und Titular-Kriegsrat Friedrich Wilhelm Marpurg (Simeon Metaphrastes) bedenkt unseren Helden und seine Söhne 18 . Das Verhältnis, das die Romantiker dann zu Bach gewinnen, läßt sich an den spärlichen Bemerkungen über Bachs Musik in den Novellen und son stigen Werken E. T. A. Hoffmanns verfolgen. Hoffmann wird vermutlich Bachsche Kompositionen bei seinem Lehrer Podbielsky in Königsberg kennengelernt haben. Im 2. Band des Kater Murr sieht Meister Abraham in der Erinnerung noch einmal den Knaben Johannes Kreisler.,,. .. Der Kleine hämmerte mit stolzem Blick Sebastian Bachs schwerste Sonaten herunter mit beinahe männlicher Faust“ 19 . In der Kreisleriana schildert Hoffmann eine Teegesellschaft im Hause des Geheimen Rates Röderlein, deren Gäste mit ihren belanglosen Gesprächen Kreisler endgültig in die Flucht schlägt, während er die Goldberg-Variationen spielt 20 . Daß der Dichter in ehrfürchtigem Staunen vor dem Genius Bach steht, ist einigen Bemerkungen zu entnehmen, die so ganz der romantischen Auf fassung der Zeit entsprechen. Während er einmal Bachs Musik mit der Bau kunst vergleicht - „Sebastian Bach’s Musik verhält sich zu der Musik der alten Italiener ebenso wie das Münster in Straßburg zu der Peterskirche in Rom . . . Ich sehe in Bach’s achtstimmigen Motetten den kühnen, wunder vollen, romantischen Bau des Münsters mit all den fantastischen Verzierun gen, die künstlich zum Ganzen verschlungen stolz und prächtig in die Lüfte emporsteigen . . .“ 31 -, schreibt er an einer anderen Stelle: „Es gibt Augen- 15 Vgl. Blume, a. a. O., S. 10. 16 Hausmusik bei Goethe. In: Das Musikleben. Jg. 2. 1949, S. 233. 17 Anekdoten aus dem Geben merkwürdiger Tonkünstler. In: Musikalischer Almanach. Berlin 1796. 18 Legende einiger Musikheiligen. Köln 1786. 19 E. T. A. Hoffmann, Sämtliche Werke. Hrsg, von E. Grisebach. Leipzig 1922. Bd. 10, S. 228. 20 E. T. A. Hoffmann, Musikalische Novellen und Aufsätze. Hrsg, von E. Istel. Regens burg 1921. Bd. 1, S. 34ff. 21 Ebenda, Bd. 1, S. 71.