Zur Frage des Bachbildnisses von Elias Gottlob Haußmann 125 der zweiten Phase des Restaurierungsvorganges gestatten würde. Man wird den Worten Kurzwellys gern glauben, daß nur das Notwendigste geschehen ist, um das Bildnis eines der größten Musiker aller Zeiten nicht in dem schadhaften Zustand zu belassen, sondern es wieder einigermaßen präsen- tabel zu machen. Dennoch ist dieses Notwendige ziemlich viel gewesen, worüber man Einzelheiten bei Kurzwelly nachlesen mag. Aber auf einen Punkt muß doch näher eingegangen werden. Vergleicht man nämlich die Zustände 2 und 3, so wird man finden, daß sie im Ausdruck recht verschieden sind. Das hegt an der Verschiedenheit der Mundform, denn es gibt nichts, was den Ausdruck eines Gesichtes so ent scheidend bestimmt wie die Form des Mundes. Das haben schon die Bild hauer im frühen Griechenland gewußt, als sie die Gesichter ihrer unbeweg ten Statuen mit dem „archaischen Lächeln“ ausstatteten, und wer kennt nicht Wilhelm Büschs scherzhaften Versuch, im Gesicht Napoleons ein mal nur durch Hinaufziehen der Mundwinkel, das andere Mal nur durch deren Herabziehen den gründlichen Ausdruckswandel von Austerlitz zu Waterloo herbeizuführen? Die Neumalungen, die Kühn an den Mundwin keln, also den für den Ausdruck so wichtigen Stellen, ausgeführt hat, sind recht erheblich. Sie treten heute naturgemäß deutlicher hervor als zu ihrer Zeit, denn das Tempo, in dem sich neue Farbe gegenüber der alten ver ändert, ist verschieden, mochte sie dieser einst auch noch so gut angeglichen worden sein. Wo hat nun Kühn die Form, die er den Mundwinkeln gab, hergenommen? Doch sicher von dem auch photographisch festgehaltenen Zustand 1. Es sieht also so aus, als müßten wir aus diesem Sachverhalt schließen, daß die heutige Mundpartie des Bachbildes dem Originalzustand nicht entspricht, da sie von der des Zustandes 2 so erheblich abweicht, d. h. von einem Zu stand, der dem originalen infolge der Entfernung der Übermalungen näher sein müßte. Allein dieser Schlußfolgerung steht die Tatsache entgegen, daß die Davidsche Kopie von 1791 (als Übermalungen bestimmt noch nicht vorhanden waren) in der Mundpartie durchaus dem Zustand 1 entspricht und nicht dem Zustand 2. Eine Erklärung dafür kann nur in der Richtung gesucht werden, daß im Zustand 1 etwas von der Originalfassung erhalten geblieben sein muß, was durch die Herstellung des Zustandes 2, d. h. durch die Restaurierung von 1913 in ihrer ersten Phase, beseitigt worden war. Die Mundform des Haußmannschen Bachbildnisses gibt aber noch zu einer weiteren Erwägung Anlaß. Jedes von einem Künstler gemalte Bildnis ist geformt einmal durch seinen Individualstil und zum andern durch den Zeit stil, dem der Künstler angehört, mag er noch so sehr die Absicht haben, sein Modell sachlich treu und wirklichkeitsnah zu konterfeien. Diese Prägung des Schaffensvorganges durch den Zeitstil ermöglicht es ja dem Kunst historiker, oft auf das Jahrzehnt genau die Entstehungszeit eines Bildnisses vergangener Jahrhunderte anzugeben, auch wenn der Künstler nicht be kannt ist. Nun ist der Stilzwang des Barockzeitalters von außerordentlicher Stärke gewesen und überall in Architektur, Plastik, Malerei, Kunsthand-