iz6 Johannes Jahn werk, ja in den unscheinbarsten Zeichnungen zu spüren; nur das bürger liche Holland hat sich ihm bis zu einem gewissen Grade entziehen können. Es bildeten sich Stilkonventionen auch im Bildnis heraus. Deren Domäne ist zwar in erster Linie das weibliche Antlitz, da dieses durch die Jahrhun derte hindurch mehr nach dem Schönen als nach dem Charakteristischen hin gemalt wurde, aber auch für das männliche Antlitz wurden solche Kon- ventionalismen ausgebildet. Dazu gehört vor allem eine bestimmte Art, dem Mund eine kraftvolle Schwingung zu geben, Sie läßt sich an Bildnissen des 17., 18. und zuweilen auch noch des 19. Jahrhunderts beobachten. Um es abgekürzt zu sagen: ein klassizistischer Mund sieht anders aus als ein barocker und ein impressionistischer ist wiederum mit keinem von beiden zu vergleichen. Der Haußmannsche Bach hat nun einen entschieden barok- ken Mund, und damit kommen wir auf die Frage der Qualität und Authenti zität dieses Bildnisses selbst zu sprechen. Haußmann gehört zu den in der Geschichte der Kunst nicht gerade sel tenen Persönlichkeiten, die nach frischen und tüchtigen Anfängen der Rou tine verfallen sind nicht zuletzt dadurch, daß sie mit Aufträgen überhäuft wurden. In einem Aufsatz von Ernst Sigismund (Ztschr. f. Kunst, 4. Jahrg. 1950, S. 134) heißt es: „Seit den 1740er Jahren ging er zu einer immer ein facheren, -zuletzt wirklich nüchternen Darstellungsweise über. Dazu zwan gen ihn die überhäuften Aufträge . . .“ und er spricht weiterhin von „Serien arbeit, durch die Haußmann leider sein ursprüngliches, nicht unbedeuten des Talent verdarb.“ Man mustere daraufhin etwa die Reihe der Bildnisse, die Haußmann von den jeweiligen Vorstehern der Leipziger Kramerinnung in dem Zeitraum von 1726 bis 1765 malte. Das frühste ist in Komposition, Farbe und lebendiger Auffassung des Därgestellten bei weitem das beste. Oder man halte das ausgezeichnete, bald nach der 1725 erfolgten dauernden Niederlassung Haußmanns in Leipzig entstandene Bildnis des Leipziger „Stadtpfeifers“ Reiche mit seiner interessanten Komposition, den warmen, tiefen Farben und den vorzüglich gemalten Händen gegen das Bachbildnis von 1746. Welch ein Abfall! Um so verwunderlicher muß es erscheinen, wenn derselbe Sigismund zwar das Nachlassen von Haußmanns künstleri scher Potenz seit 1740 feststellt, das nach diesem Zeitpunkt gemalte Bach bildnis aber als eine „Glanzleistung an Verständnis und scharfer Charak terisierung der Persönlichkeit“ preist, als „eindringlichstes Zeugnis der künstlerischen Fähigkeiten seines Urhebers“ und außerdem behauptet, es sei nach der Restaurierung von 1913 in seiner „ursprünglichen Schönheit“ wiedererstanden. Wie sieht es denn wirklich aus? Die ursprünglichen Farben sind ganz ver dorben. Das Grün des Rockes ist kaum noch zu erkennen. Im Gesicht ist die braune Untermalung vielfach durchgekommen, so daß es überall fleckig ist. Die Perücke ist salopp gemalt im Unterschied zu der feineren Ausfüh rung des Gefältels der Manschette. Die Farbe der Augen ist nicht auszu machen. Den schlimmsten Eindruck macht die das Notenblatt haltende Hand, ein weicher Klumpen ohne jede anatomische Struktur. Diese höchst