Die Gebeine und die Bildnisse Johann Sebastian Bachs U 1 senschaft entwickelt, - in der jene Aufgaben umfassend behandelt werden. Denn das Problem der Identifizierung besteht z. B. für die Gerichtsmedizin, und die Profilmethode im Sinne von His wird überall angewandt, wo z. B. in der Vorgeschichte über menschlichen oder tierischen Knochen die Weichteile zu rekonstruieren sind. Daß His zu den bahnbrechenden Männern gehörte, weiß jeder Mediziner und bestätigt der Aufsatz des An thropologen Prof. Dr. Bernhard Struck 5 . His erklärte die Gebeine des älteren Mannes aus dem Johanniskirchhof „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ für echt. Hier setzte der Schreiber dieser Zeilen ein, um durch den Vergleich mit Bachbildern neue Gesichtspunkte zu ge winnen 6 . Auf ihnen beobachtet man wiederholt eine Asymmetrie der Augen lider, vom Augenarzt Prof. Dr. Ernst Engelking damit erklärt, daß Bach eine Schlaffheit der Oberlidfalte, eine echte Blepharochalasis, hauptsächlich am rechten Auge besaß. Dieser Asymmetrie im Antlitz entspricht nun eine Asymmetrie an dem 1894 ausgegrabenen Schädel, denn dessen rechte Augenhöhle ist, wie Tafel II bei His zeigt, anders geformt als die linke. Der Begriff „Asymmetrie“ wurde erst von mir in die Untersuchung einge führt. Er kommt bei His noch nicht vor, weil man damals die Unterschei dung rechter und linker Teile im Skelett für unwesentlich hielt, sich bei den Maßzahlen mit einem einzigen Wert begnügte. Ob der Wert rechts oder links gewonnen war, wird nicht gesagt. Mit den „sehr ausgeprägten, keines wegs gewöhnlichen Formen“ des Schädels meinte His nicht etwa die Asym metrie, sondern einen rassentypologischen Befund, im Anschluß an seine frühere Arbeit in der Schweiz. Ihm fiel auf, daß der nach heutiger Bezeich nung mesokephale Bachschädel sich von den brachykephalen „Dutzend köpfen“ aus Leipzig stark abhob. Was His beobachtete und zum Haupt kriterium erhob, wird von der Anthropologie bestätigt, denn mesokephale Schädel sind für den Nordwesten Thüringens charakteristisch, während sie in Leipzig fehlen 7 . Um die Asymmetrie der Augenhöhlen zu bestimmen, mußte der Bach schädel also neu vermessen werden. Leider befindet er sich unter einer Be tondecke, so daß nur ein unter His hergestellter Abguß zur Verfügung stand. Diesen Abguß, der mit dem Original im allgemeinen übereinstimmt, in Einzelheiten etwas abweicht, vermaß 1951 der Anatom Prof. Dr. Her mann Stieve, wobei sich für die Augenhöhlen rechts das Verhältnis 41 : 34 mm, links 44: 33 mm ergab. Die ungewöhnlich starke Asymmetrie der Augenhöhlen wird ergänzt durch die verschiedene Länge des rechten 5 Wegen seines Umfangs erscheint der Aufsatz nicht als Anhang im vorliegenden Jahr buch, sondern in dem Fachorgan Anthropologischer Anzeiger 1961. 6 Heinrich Besseler, Fünf echte Bildnisse J. S. Bachs, Kassel und Basel 1956. 7 Dolichokephalie (Langschädligkeit) liegt vor, wenn das Verhältnis von Schädellänge und Schädelbreite, der Längen-Breiten-Index, höchstens 75 beträgt, Brachykephalie (Kurzschädligkeit) wenn er mindestens 80 beträgt. Mesokephalie (Mittelschädligkeit) liegt dazwischen. Da der mesokephale Bachschädel nach His den Längen-Breiten- Index 76,06 hat, steht er dem dolichokephalen Typus nahe.