I}2 Heinrich Besseler und des linken Hinterhauptes. Nach Ansicht der Anatomen verursachte sie wohl, daß der Träger den Kopf etwas schräg hielt. In der Tat findet sich schräge Kopfhaltung nebst Asymmetrie der Augenlider auf mehreren Bild nissen Bachs, am ausgeprägtesten auf dem Gemälde um 1740, dessen Echt heit im Bach-Jahrbuch nachgewiesen wurde 8 . Bisher bestand für die Fachleute kein Anlaß, an der Autorität von Wilhelm His zu zweifeln. Erst neuerdings wurde nicht etwa in einer medizinischen, sondern einer musikwissenschaftlichen Zeitschrift das Unternehmen von 1894/95 als unzulänglich abgelehnt, auch die Echtheit aller Bachbilder außer dem von Haußmann bestritten 9 . Wer für andere Gebiete Fachleute zu befragen gewohnt ist, stellt fest, daß dabei nicht ein einziger Mediziner oder Kunsthistoriker genannt wird. Angesichts der heutigen Spezialisierung und Perfektion in jeder Einzelwissenschaft erfordert ein Schritt aus der einen in eine andere höchste Vorsicht, weil nur der zuständige Fachmann den Zusammenhang eines Problems überblickt. Wenn ein Angriff auf His Gewicht haben sollte, müßte er aus der Medizin kommen. Beanstandet wird zunächst die Ausgrabung vom Oktober 1894, bei der natürlich kein Ausgrabungsspezialist anwesend war, weil es in Leipzig keinen solchen gab. Aber der Verdacht, His habe die Arbeit wohl gar nicht weiter fortgeführt, nachdem das von ihm beschriebene Skelett vorlag, wird durch die Tatsache widerlegt, daß sich „später“ noch ein dritter eichener Sarg fand. His hat also den Raum von etwa 40 Quadratmetern vollständig ausgegraben. Da ein Urteil über seine Arbeit nur Fachleuten zu steht, wurden ein Prähistoriker und ein Anthropologe befragt. Das Gut achten des Prähistorikers Prof. Dr. Gotthard Neumann ist unten S. 148 ab gedruckt. Nach seiner Ansicht war His der beste Mann, den es damals in Leipzig dafür gab, und hat bei der vom Glück begünstigten Ausgrabung tatsächlich die Gebeine Bachs entdeckt. Ebenso positiv ist das Urteil des Anthropologen Prof. Dr. Bernhard Struck. Sein schon mehrfach herangezogener Aufsatz behandelt ausführlich auch die Einzelfragen des Ausgrabungsberichtes, die zu prüfen sind. Nach Ansicht dieser Spezialkenner, beide mit vieljähriger Praxis, behält also die Ausgrabung vom Oktober 1894 auch heute ihren Wert. Der zweite Einwand bezieht sich auf angebliche Widersprüche zwischen den Angaben von His, der die Asymmetrie der Augenhöhlen nicht er wähne, und den Angaben von Stieve: sollten Stieves Zahlen sich später am Originalschädel bestätigen, dann würde „unser Vertrauen in die Angaben von His schwinden - auch was die Zuverlässigkeit seines Ausgrabungs berichtes betrifft“. Wenn ein Musikwissenschaftler einem Manne wie His gegenüber solche Zweifel äußert, hätte er vorher Fachleute befragen müs- 8 Heinrich Besseler, Die Echtheit des neuen Nachbildes um 1740, BJ 1956, S. 66—72, Abbil dung S. 65. 8 Besprechung des oben S. 131, Fußnote 6 genannten Buches durch Georg von Dadel- sen, Mf 10, 1957, S. 314—320; dazu die Replik Mf 11, 1958, S. 219—221.