Die Gebeine und die Bildnisse Johann Sebastian Bachs I 33 sen, denn die Bedeutung dieses Mediziners beruht nicht auf Einzeldingen, die heute überholt sind, sondern auf seinem geistigen Rang. Die Fachleute hätten darauf aufmerksam gemacht, daß es His überhaupt nicht auf Asym metrien am Schädel ankam, sondern auf die mesokephale Form. Wie oben dargestellt, hob sich 1894 der mesokephale Bachschädel, der mit dem Längen-Breitenindex 76,06 dem dolichokephalen Typus nahesteht, von den brachykephalen Durchschnittsköpfen aus Leipzig derart ab, daß hierin das Hauptkriterium für die Echtheit gesehen wurde. Die Anthropologie be stätigt heute auf grund größerer Tatsachenkenntnis, daß His Recht hatte. Was aber die Asymmetrie betrifft, so habe ich sie zuerst auf Gemälden im Antlitz beobachtet, dann beim Vergleich den asymmetrischen Augenhöhlen auf Tafel II bei His zugeordnet. Aus vielen Gesprächen ergab sich, daß die ses Kriterium für Mediziner verwendbar war. So beschreibt das Gutachten Stieve die Asymmetrie der Augenhöhlen in exakter Form. Da His sie zwar nicht erwähnte, aber auf Tafel II photographisch festhielt, besteht für Fach leute nicht der geringste Zweifel daran, daß die Asymmetrie der Augen höhlen am Originalschädel vorhanden ist. Die Zahlen bei His und Stieve stimmen im Prinzip überein. Es gibt hier und dort eine Abweichung, die zu untersuchen Sache des Anthropologen ist. Wenn einzelne Irrtümer Vorkommen, so wird dadurch nicht das Ganze in Frage gestellt. Der gründliche Aufsatz von Bernhard Struck bringt Ord nung in den Zusammenhang. Wie sich zeigt, kommen zu den Argumenten, die His für die Echtheit besaß, neue positive hinzu, kein einziges negatives. Der Anthropologe hält heute den Bachschädel mit noch höherer Wahr scheinlichkeit für echt, als es bei His möglich war. Was den Streit um die Echtheit der Bachbildnisse zu meinen Gunsten ent schieden hat, war die 1958 veröffentlichte Silberstiftzeichnung (Abb. 2). Nach dem Gutachten des Kunsthistorikers Prof. Dr. Bruno Grimschitz und des Museumsfachmanns Prof. Robert Eigenberger steht fest, daß dieses auf der barocken Rahmung mit J. Seb. Bach bezeichnete Porträt nach dem Leben gezeichnet wurde, und zwar von einem ganz hervorragenden Künstler, dessen Name bisher nicht zu ermitteln war 10 . Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Johannes Jahn, als Direktor des Leipziger Museums für bildende Künste an dem Problem interessiert, hat die Gutachten bestätigt und durch eigene Beobachtungen ergänzt 11 . Befaßt man sich als Nichtfachmann mit Bildnissen, dann ist Zusammenarbeit mit Kunsthistorikern und Museumsleuten selbstverständlich 12 . Der Kunst historiker Prof. Dr. Heinz Ladendorf übernahm 1950 die Beratung und die 10 Heinrich Besseler, Eine Silberstift^eichnungvon J. S. Bach, Musica, 1958, S. 5—9; ders., Die Silberstiftgeichnimg im Urteil der Kenner, Musica 1958, S. 668—671. 11 Johannes J ahn, Zur Frage des Bachbildnisses von Elias Gottlob Haußmann, im vorliegenden Jahrbuch oben S. 124fr. 12 Für eine Reihe von Gesprächen bin ich Prof. Dr. Johannes Jahn zu Dank verpflichtet, auch für die Prüfung und Bestätigung dieses Manuskriptes vor dem Druck.