134 Heinrich Besseler Gutachten zu dem oben S. 131, Fußnote 6 genannten Buch, kam jedoch aus äußeren Gründen nicht zum Abschluß. Nach Ladendorfs Urteil, das schrift lich vorliegt, ist mein Buch für den Kunsthistoriker einwandfrei, sein Er gebnis überzeugend. Leider konnte die Zusammenarbeit mit ihm nicht fort gesetzt werden, doch fanden sich für die Silberstiftzeichnung Gutachter und damit der Beweis für die Richtigkeit meines Verfahrens. Nach dem Urteil der Fachleute besteht kein Zweifel daran, daß ein hervor ragender Künstler Bach nach dem Leben gezeichnet hat. Damit ist die oben S. 132 erwähnte These: nur das Bachbild von Haußmann sei echt, von Kunsthistorikern widerlegt. Da die Silberstiftzeichnung vom gleichen Kritiker als ein „offensichtlich posthumes und apokryphes Produkt“ be zeichnet wurde, wird auf eine Fortführung jener Diskussion verzichtet, das Problem vielmehr so untersucht, wie es sich nach dem Eingreifen der Fach leute jetzt darstellt. Ausgangspunkt für die Erörterung kann nur das Bachbild von Haußmann sein, dessen ursprüngliche Echtheit niemand bezweifelt. Johannes Jahn hat im genannten Aufsatz auf einiges für die Musikforschung Wichtige hin gewiesen, weil man die Angelegenheit meist nur im Zusammenhang mit Bach zu betrachten, also zu isolieren pflegt. Für den Kunsthistoriker ist das Bachbild von 1746, die verschiedenen Fassungen als Ganzes genommen, ein Gemälde im Lebenswerk des Malers Haußmann. Dort steht es aber an einer sehr bescheidenen Stelle und verrät sogleich seine Mängel, etwa die nachlässig hingesetzte Hand. Jahn vergleicht als Gegenbeispiel das leben dige Porträt des Stadtpfeifers Reiche, das 1727 von einem Leipziger Stecher festgehalten wurde, und kennzeichnet Haußmanns Entwicklung als „Ab stieg“. Auch wenn das Gemälde von 1746 im Originalzustand erhalten wäre, müßte man ihm kritisch prüfend gegenüberstehen, weil Haußmann in den 1740er Jahren zu einer „Serienarbeit“ übergegangen war 13 . Wie die Kunst geschichte längst weiß, war seine Werkstatt damals eine „Bilderfabrik“, in der die Sorgfalt hinter der Schnelligkeit zurücktrat.“ 14 Die zweite wichtige Beobachtung Jahns betrifft den Zustand des Gemäldes in Leipzig, das meist als H I bezeichnet wird. Wie man auch über die Chro nologie der verschiedenen Fassungen denken mag - nach dem, was jetzt ein Museumsfachmann über den Umfang der Restauration vom Jahre 1913 und ihre Folgen festgestellt hat, kann H I keinesfalls mehr den Anspruch erheben, es übermittle das Antlitz Bachs in authentischer Form. An diesem Punkte trennen sich die Geister. Es bleibt natürlich niemandem verwehrt, in das Haußmann-Porträt seine eigene Vorstellung von Bach hineinzu tragen, ähnlich wie es im Mittelalter - woran Jahn erinnert - gleichgültig war, ob man ein Heiligenbild in Gestalt eines guten oder eines schlechten Kunstwerks vor sich sah. 13 Ernst Sigismund, Der Porträtmaler Elias Gottlob Haußmann und seine Zeit, Zs. für Kunst (Verlag Seemann, Leipzig) 4, 1950, S. 126—135, bes. S. 134. 14 U. Thieme und F. Becker, Allgemeines Hexikon der Bildenden Künstler, Bd. 16, Leip zig 1923, S. 145 — 146.