IO Hans-Martin Pleßke wähl in Großschwabhauseti 31 , geht das Verhältnis dieses Schriftstellers zur Mu sik Bachs recht eindeutig hervor, wenn es dort heißt, „daß z. B. Bach und Händel, wenn sie heutzutage wiederkehrten, unsere Orchestervöllerei als eine barbarische Verirrung, als heillosen Mißbrauch verwerfen würden“ (S. 36). Dem Spiel einiger Partien aus dem Wohltemperierten Klavier schließt sich ein Gespräch an, in dem die zum Vortrag gelangten Komposi tionen gelobt werden, „weil in ihnen nichts leere Form, sondern alles Geist und Leben ist“, und sie „über dem Wechsel der Mode“ (S. 69) stehen. Un ter besonderem Hinweis auf die „jetzt von Manchen als steif und unbehol fen verschrieene Fugenform“ preist Keferstein seinen Helden als einen Mei ster, denn „meines Wissens hat es darin kein Anderer ihm gleichgethan“ (S. 69). Vielseitig und innig sind die Beziehungen Johann Wolfgang von Goe thes zur Musik gewesen, mit denen sich einige Autoren 32 in ihren Publika tionen mehr oder weniger kritisch auseinandersetzen. Im Leben des Dich ters hat die Musik Bachs jedoch keine entscheidende Rolle gespielt. Fried rich Smend 33 gebührt das Verdienst, Goethes Verhältnis zu unserem Hel den in einer grundlegenden Arbeit dargestellt zu haben, die wohl lückenlos das Material zum Thema aus des Dichters eigenen Schriften und den Ver öffentlichungen der ihm nahegestandenen Menschen erfaßt. Zelter und Mendelssohn brachten Goethe mit der Musik des Thomaskantors in Be rührung. Den überlieferten Aussagen ist nicht in jedem Falle zu entnehmen, um welche Werke es sich im einzelnen gehandelt haben muß. Der Berkaer Organist und Badeinspektor Johann Heinrich Friedrich Schütz, in dessem Hause Goethe wiederholt zu Gast war, trug ebenfalls dazu bei, dem Dich ter Bachs Präludien und Fugen nahezubringen. Es ist kaum anzunehmen, daß Goethe außer Klaviermusik, Orgelwerken und einigen Chorälen auch andere Werke Bachs gekannt hat. Zu jener Zeit wurde des großen Barockmeisters Musik ja nur in wenigen Zirkeln gepflegt, denen zwar Männer angehörten, die auch Goethe nahestanden und zu den Wegbereitern Bachs für die kommende Generation zählen, deren eigenes Wollen aber zu stark mit einem durch die Romantik geformten Weltbild durchdrungen ist. Einer häufig zitierten Äußerung Goethes, die sich auf sein Bacherleben in Berka bei Schütz bezieht, ist weder zu entnehmen, welche Komposition er im Auge hat, noch geht die Bemerkung über eine allgemeine - nicht restlos verständliche - Einschätzung hinaus. „Ich sprach mir’s aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich’s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung möchte zugetragen haben. So bewegte sich’s auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne be säße noch brauchte.“ 34 31 Neue Zeitschrift für Musik. Bd. 21. 1845. 32 Vgl. H. J. Moser, Musiklexikon. 4. Aufl. Hamburg 1955. Bd. 1, S. 430—431. 33 Goethes Verhältnis %u Bach. Berlin und Darmstadt 1955. 34 Johann Sebastian Bach. Geben und Schaffen. Hrsg, von W. Reich. Zürich 1957, S. 246.