Die Gebeine und die Bildnisse Johann Sebastian Bachs 137 merk auf dem Jugendbildnis ist also zu lesen: geb(oten) d(ie) 21. M<zr(tii). Diese Schreibweise liefert den unwiderleglichen Beweis dafür, daß der Vermerk keine Fälschung sein kann, sondern aus dem 18. Jahrhundert stammt. Er deutet auf einen Hof, an dem das Geburtsdatum Bachs in ex akter Form festgehalten wurde, und zwar „in Rococoschrift“. Was bisher gegen den Vermerk auf dem Jugendbildnis eingewandt wurde, beruhte auf Arnold Scherings Zweifel im BJ 1907, S. 181. Heute hat sich die Lage von Grund auf geändert, da vier neue Tatsachen vorliegen. Erstens stellte ich 1952 in Erfurt fest, daß der Vorbesitzer, Schneidermeister Pfeiffer, ein an Musik nicht interessierter, streng kirchlicher Mann und ein Lieb habermaler war, der das um 1877 auf einem Dachboden in der Michaelis straße gefundene Porträt in seiner Sammlung eigener religiöser Bilder be hielt, ohne seinen Wert überhaupt zu kennen. Zweitens war zur Zeit Sche rings das Jugendbildnis das einzige mit einem alten Bach-Vermerk, wäh rend heute 3 Gegenstücke dazu bekannt sind, darunter die zweifellos echte Silberstiftzeichnung. Drittens lag damals die Entstehung des Porträts ganz im Dunkel, während es 1954 vom Direktor der Kunstsammlung in Weimar mit großer Wahrscheinlichkeit dem Hofmaler Johann Ernst Rentsch dem Alteren zugewiesen wurde. Und viertens mußte Schering an der Ausführ lichkeit des Vermerks Anstoß nehmen, die in der Tat ungewöhnlich ist, während heute gerade diese exakte Form den vom Kunsthistoriker beob achteten Zusammenhang mit dem Weimarer Hof bestätigt. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, aus neuen Tatsachen Schlüsse zu ziehen, Fehlschlüsse der Vergangenheit zu verbessern. Der Bach-Vermerk auf dem Jugendbildnis ist keine Fälschung, sondern stammt aus dem 18. Jahrhundert. Auch auf dem Porträt „um 1740“, das im Kriege vernichtet wurde, gab es einen Bach-Vermerk aus dem 18. Jahrhundert. Das wird durch das Zeugnis von Georg Schünemann und Manfred Gorke bestätigt 24 . Es ist wichtig, daß dieses Gemälde Bachs Antlitz recht ähnlich darstellt wie das Jugendbildnis (Abbildungen 5 und 6). Schering betonte 1907 die Abwei chungen vom Haußmanntypus, empfand als bachisch nur die Mund- und Kinnpartie. Jetzt gibt es im Gemälde „um 1740“ ein Gegenstück zum gan zen Antlitz. Da sich auf beiden Bildern ein Bach-Vermerk aus dem 18. Jahr hundert befand, ist also heute auch ein von Haußmann abweichender Dar stellungstypus von vornherein quellenmäßig gesichert. Als letztes Porträt mit dem Vermerk J. Seb. Bach schließt sich die oft er wähnte Silberstiftzeichnung an, nach dem Urteil der Museumsfachleute nach dem Leben gezeichnet und daher authentisch. Sie steht dem Pastell gemälde von Gottlieb Friedrich Bach so nahe, daß man Zug für Zug ver gleichen und dabei z. B. feststellen kann, was der junge Pastellmaler im Antlitz seines Onkels Johann Sebastian ungeschickt erfaßt hat 25 . Bisher wurde das Pastellbild, das Carl Philipp Emanuel am 10. April 1774 und am 24 Besseler, BJ 1956, S. 66—67. 25 Besseler, Musica 1958, S. 7.