140 Heinrich Besseler S. 134 erwähnte kunsthistorische Urteil über Haußmanns Arbeit in den 1740er Jahren, über seine „Bilderfabrik, in der die Sorgfalt hinter der Schnelligkeit zurücktrat“, wird also durch das Bachporträt bestätigt. Noch größere Unterschiede als zwischen H I und H III beobachtete ich auf jener Fassung, die Johann Marcus David 1791 kopiert hat 29 . Dort ist der Kopf etwas schräg gehalten, was ein sinnvolles, in sich geschlossenes Antlitz ergibt (Abbildung 4). Auf allen anderen Fassungen und Kopien wird zwar der untere Teil schräg gehalten, der obere jedoch nicht, weil das linke Auge, nimmt man die Vertikalachse des Bildes, genau parallel zum rechten gemalt ist, also etwas zu tief steht. Das Antlitz erhält dadurch einen Widerspruch in sich selbst 30 . Dieser Widerspruch fehlt nur auf der David-Kopie. Nach dem Urteil des Kunsthistorikers Ladendorf hatte David offenbar das nach dem Leben gemalte Original H Ia vor sich, das bisher nicht wiedergefunden wurde 31 . Johannes Jahn beobachtet auf der von David kopierten Fassung auch den größeren Detailreichtum. 32 Solange das Ge mälde H Ia nicht wieder auftaucht, gibt es angesichts des Zustandes von H I, den Jahn charakterisiert hat, methodisch nur einen einzigen Weg zur Gewißheit. Auf dem Haußmann-Porträt ist ein Persönlichkeitsmerkmal Bachs dann gesichert, wenn es sowohl auf der David-Kopie wie auf H I und H III vorkommt. Am 29. Januar i960 veranstaltete das Landesinstitut für Denkmalpflege in Dresden ein Kolloquium über das Leipziger Haußmannbild H I, nachdem es vom Restaurator Dr. Löffler mit modernsten Methoden untersucht wor den war. Zu den etwa 30 Teilnehmern gehörten die Museumsleiter Dr. Füß- ler (Stadtgeschichtliches Museum, Leipzig) und Prof. Dr. Jahn (Museum der bildenden Künste, Leipzig). Hier sah jeder die schweren Schäden vor sich, die das Gemälde im 19. Jahrhundert erlitten hat, z. B. durch Pfeil schüsse von Thomanern gegen die Mund- und Augenpartie, so daß Wal ther Kühn 1913 physiognomisch wichtige Teile ergänzen mußte. Aber nicht nur der Erhaltungszustand gab Anlaß zur Kritik, sondern das Por trät als solches, denn ein zum Vergleich aufgestelltes Ölbildnis vom Leip ziger Ratsherrn Christian Ludwig Stieglitz, Bachs Vorgesetzten, machte an schaulich, das auch der „Bilderfabrikant“ Haußmann gut malen konnte, wenn ein gut honorierter Auftrag vorlag. Hiermit verglichen, erwies sich das Bachporträt als eine recht flüchtige Arbeit, vor allem wegen der form los gemalten Hand. Glücklicherweise besitzen wir seit 1958 die unbedingt authentische Silber stiftzeichnung, die dem Haußmann-Porträt nahesteht und seine Kon trolle gestattet (Abbildung 2). Sie bestätigt das Vorhandensein der Blepharo- chalasis hauptsächlich am rechten Auge, denn dort senkt sich das Lid bis 29 Besseler, Fünf echte Bildnisse (1956), S. 43h und Taf. 11. 30 Fünf echte Bildnisse, S. 47 f. 31 Musica 1958, S. 209. 32 Jahn, im genannten Artikel, S. 127 in diesem Jahrbuch.