Die Gebeine und die Bildnisse Johann Sebastian Bachs 143 Ist demnach an der Identität der dargestellten Person kein Zweifel möglich, so deuten kleine Abweichungen auf einen Altersunterschied. Die Tränen säcke hängen auf dem Ihle-Porträt noch nicht so tief herab wie auf der Zeich nung. Die vorstehende Unterlippe wirkt noch nicht so gerundet, Hals und Doppelkinn sind noch nicht so füllig. Vor allem ist bei Ihle das Hauptmerk mal, die oft erwähnte Blepharochalasis, am rechten Auge bereits voll ausge prägt, am linken jedoch nicht, denn dort wirft das Oberlid noch die übliche Einziehungsfalte: gemalt in Form zweier Parallelen über dem Augapfel. Von diesen Parallelen gibt der Silberstiftzeichner nur Anfang und Ende, während in der Mitte, über der Iris, nun auch das linke Oberlid schwerer herabhängt als bisher, wenn auch bei weitem nicht so vollständig wie das rechte. Da Ihles Porträt dieselben Persönlichkeitsmerkmale aufweist wie die Silber stiftzeichnung, muß es als Bildnis J. S. Bachs anerkannt werden. Es fällt in eine frühere Zeit, denn zu den erwähnten Unterschieden kommt noch Bachs Kleidung als Kapellmeister, ein Hinweis auf den Köthener Hof. Daß der schwäbische Maler aus Eßlingen mit Bach zusammentraf, ist keines wegs undenkbar, denn ich verwies auf einen Parallelfall bei Haußmann: er wurde vom Darmstädter Hof, wo er aufwuchs, 22jährig „in die preußi schen, sächsischen und anderen Provinzen“ entsandt, und ähnlich mag der junge Eßlinger nach Norden gelangt sein 36 . Die von mir seit 1950 erbetene Untersuchung des Ihle-Porträts war bisher nicht möglich, doch dürfte es nach kunsthistorischem Urteil von einem jungen Maler stammen. Die Sil berstiftzeichnung zwingt jedenfalls zu einer Revision der herrschenden Ansicht. Obwohl fundamentale Fragen noch ungeklärt sind, kann das Ge mälde im Eisenacher Bachmuseum nur eine Darstellung J. S. Bachs sein. Bisher waren die Bilder untereinander so ähnlich, daß eines den Vergleich mit dem anderen nach sich zog. Dasselbe gilt für die nun zu besprechende Bildnisgruppe II, doch beobachtet man hier die Persönlichkeitsmerk male in einem etwas anderen Gesichtstypus. Es handelt sich um das Jugend bildnis (Abbildung 5), das Porträt „um 1740“ (Abbildung 6) und das Altersbildnis (Abbildung 7). Gegen das Jugendbildnis im Erfurter Museum besteht seit Scherings Ein wand von 1907 ein besonders hartnäckiges Vorurteil. Noch 1950 wurde in einem sonst vollständigen Quellennachweis nicht einmal sein Vorhanden sein erwähnt 37 . Das von mir sofort erbetene Gutachten liegt zwar noch immer nicht vor, doch ließ ein Weimarer Museumsdirektor das Gemälde nach Weimar kommen, um es dort zu vergleichen. Vom Ergebnis und von weiteren Beobachtungen zum Jugendbild wurde oben S, 137 berichtet. Da mit bestätigt sich zunächst, daß es für den Museumsfachmann in jene Zeit gehört, womit die erste Voraussetzung für seine Echtheit erfüllt ist. Vor allem erklärt sich nun die Form des Bach-Vermerks, die auch heute als.ua- 36 Besseler, Fünf echte Bildnisse, S. 31. 37 Friedrich Blume, Artikel J. S. Bach, MGG I, Kassel 1949/51, Sp. 999-