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Die Weimarer Bachtradition des 18. Jahrhrmderts 157 beider nach der räumlichen Trennung seine Bestätigung findet.Wesentlich war auch das Hervortreten des Musiklexikographen als Tonsetzer 4 . Bach hatte nicht nur das größte Verständnis für das Verhalten Walthers, sondern er setzte sich auch für die Drucklegung der Kompositionen seines Freundes ein. Walther wiederum kopierte den ganzen (1722 vollendeten) ersten Teil des „Wohltemperierten Klaviers“ 5 und sammelte viele der Bachschen Choralbearbeitungen. Für die Pflege der Bachschen Kunst in Weimar war auch der 1696 in Hausen bei Arnstadt geborene Johann Caspar Vogler 6 von großer Bedeutung. Ihn soll J. S. Bach nicht nur als Meister der Orgel 7 , sondern ebenso als seinen besten Schüler 8 bezeichnet haben. Als zweiter Nachfolger Bachs im Weima rer Hoforganistenamt empfand er die moralische Verpflichtung, das An denken an seinen großen Vorgänger wachzuhalten. Als Beweis möge eine Zeitungsanzeige der Witwe Voglers gelten, in der sie 1766 ein berühmtes Clavecin und viele „Musikalien“ aus dem Nachlaß ihres Mannes zum Ver kauf anbot. Bei dieser Gelegenheit wurde betont, daß es sich um Kompo sitionen „von J. S. Bach und andern berühmten Musicis“ handelt 9 . Dieser Name steht also für alle andern! Wirkungsvoller konnte nicht unterstrichen werden, welche Rolle das Werk Bachs im Bewußtsein der Musiker und Musikliebhaber spielte, und zwar 16 Jahre nach dem Tode des Meisters; um ihn war es jetzt im allgemeinen merklich still geworden, was aber für Weimar und das dazugehörige Herzogtum ganz offensichtlich ni ch t zu traf. Vogler selbst war 1763 gestorben (beerdigt am 3. Juni) 10 . 42 Jahre hatte er das genannte Amt inne, wenn auch in den letzten zwei Jahren bereits sein Nachfolger, der spätere Hofkapellmeister E. W. Wolf, die Funktion des Hoforganisten ausübte. Auf die Dienste Voglers konnten und wollten die Weimarer Herzöge nicht verzichten. Als 1735 Ernst August .die gesamte Hofkapelle entließ, behielt er ihn als einzigen im Amt. Ja, als der Herzog ernstlich befürchtete, daß er seinen Hoforganisten verlieren könnte, der seinerseits schon eine Orgelprobe an der Marktkirche in Hannover glän zend bestanden hatte, ernannte er ihn zum Bürgermeister der Residenzstadt. Gemäß der damaligen Praxis hatte Vogler nun im Wechsel mit einem ande ren Bürgermeister dem Weimarer Stadtrat vorzustehen. Im Jahre 1748 hatte er das Amt inne, als die Stelle des Stadtorganisten und des Stadtpfeifers neu zu besetzen waren. Kann man auch nicht sagen, daß der Fachmusiker und regierende Bürgermeister bei der Auswertung der Proben, die am 4 Hierzu siehe u.a. O. Brodde,/. G. Walther, 1684—1748 liehen und Werk, Diss. Münster, Bochum 1937. 5 M. Seiffert ,J. G. Walthers gesammelte Werke, in:DDTBd. XXVI/XXVII, Leipzig 1906. 6 H. Löffler, Bachs Schülerin Thüringen, in: /. V. Bach in Thüringen, Weimar 1950. 7 R. Eitner, Biogr.-Bibliogr.Quellenlexikon der Musiker und Slusikgelehrten, 1899—1904. 8 W. Bode, Der Alusenbof der Herzogin Amalia, Berlin 1908. 9 Weimarische Wöchentliche Frag- und Anzeigen, Nr. 57, v. 16. 7. 1766. 10 Totenbuch der Stadtkirche Weimar. — In der Weimar-Literatur wird das Sterbejahr oft unrichtig angegeben.