14 Hans-Martin Pleßke liehen Jugend“ entsprechen. Von Polkos vier Bach-Geschichten sind zwei Johann Sebastian - Ein feste Burg ist unser Gott 49 und Der alte Bach kommt - und je eine dem Bückeburger (Johann Christoph Friedrich) und dem Lon doner (Johann Christian) Bach gewidmet. Während die Autorin zunächst die Reise Sebastians zum Kurfürsten nach Dresden schildert, der sein Spiel auf der Orgel der katholischen Hofkirche zu hören wünscht, begibt sich Bach in der zweiten Geschichte nach Potsdam - fälschlicherweise im Jahre 1749 und ohne die überlieferte Begleitung durch Friedemann - um vor dem König zu musizieren. Die Polko verknüpft ihre Darstellung mit einer Be sinnung auf die Ohrdruf-Legende vom in mondhellen Nächten abgeschrie benen Notenheft des ältesten Bruders Sebastians, die Philipp Emanuel hier Friedrich II. erzählt. Die Verfasserin zeichnet trotz ihrer sentimentalen Aus drucksweise einen für die damalige Zeit verhältnismäßig zielbewußten Bach, der sich weniger unbeholfen und bieder als bei Lyser gibt. Wiederholt begegnet uns Bach in den Werken dieser Schriftstellerin. Im Roman um die Sängerin Faustina Hasse besonders im Kapitel Der Orgel bauer 50 , dann aber auch in einem „schlichten“ Lebensbild Johann Sebastian Bach 51 , das nach der biographischen Seite hin nicht besonders ergiebig ist, dafür aber manche belletristisch ausgeschmückte Szene (Begegnung mit einem ungenannten Fremden in Arnstadt, Besuch in Potsdam) enthält. Auch der von 1840 bis zu seinem Tode 1868 als Pfarrer in Bautzen wirkende Karl August Wildenhahn schrieb - vermutlich um 1850 herum - eine geschichtliche Erzählung 52 , die verstaubt wirkt. Nachdem sich der Ver fasser, der zunächst das Zusammentreffen Bachs mit dem zwanzigjährigen Johann Adam Hiller schildert, in ausgesprochen dozierender Weise über das Orgelspiel und die schwere Aufgabe, eine „richtige und würdige Choral melodie zu machen“ (S. 22) ausspricht, berichtet er anschließend von der mißlungenen Augenoperation, die zur völligen Erblindung des Thomas kantors führt. Wir vermissen in den Dichtungen von Drobisch, Lyser, Polko, Brachvogel und Wildenhahn, daß sich seit der Tat Mendelssohns zunehmende Bemü hungen abzeichnen, in den Geist Bachs einzudringen. Noch immer wird - wie vor allem bei Lyser - die Weitabgewandtheit des Bachschen Schaffens betont. So, wie auch Brachvogel in seinem acht Jahre nach Bachs 100. Todes tag veröffentlichten Roman im Kapitel „Kunst ist Leben“ zu einer ausge sprochen romantischen Deutung Bachs gelangt, suchen wir in allen Dich tungen vergeblich nach einer Bach-Renaissance. Weitaus höher ist die Haltung Alfred Heinrich Ehrlichs einzuschätzen. In dessen Roman Kunst und Handwerk 53 weigert sich ein Künstler, Gounods Meditation zu Bachs Präludium zu spielen, weil er dagegen ist, daß die 49 Auch anonym erschienen in: Signale für die Musikalische Welt. Jg. 8. 1850, S. 297—304. 50 Leipzig 1860. Bd. 2, S. 174—185. 51 UnsereMusikkJassiker. Leipzig 1880, S. 29—59. 52 Job. Sebastian Bach. 2 Bilder aus seinem Leben. Eisenach 1909. 53 Frankfurt a. M. 1861. Bd. 1, S. 9—10 und 410.