Bach in der deutschen Dichtung 17 - blieb wenig erhalten. Das, was der Mizlersche Nekrolog bietet, auf dem ja schon Forkel 1802 aufzubauen gezwungen war, ist in beachtlicher Weise unter Einbeziehung sehr vieler Faktoren ergänzt, erweitert, zum Teil auch korrigiert worden, so daß heute kaum jemand mehr in der Lage ist, auf Grund des sich darbietenden Umfanges der Bachforschung das Gesamt gebiet wirklich restlos zu überschauen. An der Dürftigkeit der auf uns gekommenen Lebensgeschichte Bachs, bei der bereits das Anekdotische eine gewisse Rolle spielt, hat sich trotzdem nicht allzuviel geändert. Und das scheint wohl auch der Hauptgrund dafür zu sein, daß sich die Schriftsteller des 20. Jahrhunderts so zahlreich der kleinen literarischen Form mit Einzelbegebenheiten zuwenden, weil ihnen Sebastians Gesamt-Biographie zu unergiebig ist. Denkt man an die Flut literarischer Ergüsse bei Mozartjubiläen, so ist unser Held ein Waisenknabe dagegen, durchaus ein erfreuliches Zeichen dafür, daß es sich in dieser Hin sicht bei der Bachpflege nicht um eine saisonbedingte Angelegenheit handelt. Der Mehrzahl der belletristischen Werke ist eigen, daß sie auf soliden Quel lenstudien beruhen, was natürlich mitunter haarsträubende Verdrehungen und unglaubwürdige Darlegungen nicht ausschließt. Während sich die Au toren durchweg mit viel Sorgfalt und Aufwand der Schilderung der Lebens umstände und bestimmter Zeitereignisse annehmen, wird das künstlerische Werk Bachs dem Leser in vielen Fällen nur spärlich nahegebracht, dann aber kaum gedeutet. Überschauen wir den Kreis der Dichter, die sich in den Dienst Bachs ge stellt haben, so sind es nur wenige Namen, die einem literarisch interessier ten Publikum zum Begriff wurden und auf ein beachtliches Gesandtschaften zurückblicken. Selbst wenn wir uns davor hüten wollen, eine Autorenrang folge festzulegen, wird augenscheinlich, daß die Dichter, denen wir in der Regel in Literaturgeschichten unserer Zeit begegnen, so gut wie nicht ver treten sind. Aus der Feder des einst in Halle lebenden Theologen Hermann Otto Nietschmann, der als Schriftsteller unter dem Pseudonym Armin Stein veröffentlichte, stammt die älteste umfassende Bachdichtung 63 , die 1896 verlegt wurde. Die von Stein im Untertitel Ein Kiinstlerleben bezeichnete Ar- [ beit ist nur eine aus der Flut seiner historischen Romane, in deren Mittel- j punkt die unterschiedlichsten Persönlichkeiten deutscher und ausländischer > Geschichte stehen. Sein Bachbuch hat Stein im Stile christlicher Erbauungs- I literatur abgefaßt, ohne tiefer in den Stoff einzudringen. Was uns Achtung e abverlangt, ist die gediegene Sachkenntnis, mit der er hier zu Werke ge- 3 gangen ist. I Erst ein Halbjahrhundert später legt Walter Kramer im Bach-Jahr 1950 seinen Roman Johann Sebastian 64 vor, in dem von der Geburt bis zum Tode n unseres Helden, eingebettet in so manches Ereignis der Barockzeit, das J Leben des Menschen und Musikers Bach Gestalt annimmt. Der Verfasser 6:1 Johann Sebastian Bach. Halle 1896. 64 Stuttgart 1950.