22 Hans-Martin Pleßke Der Musikwissenschaftler Hans-Joachim Moser, der die Musikbelle tristik mehrfach in so erfreulicher und verantwortungsbewußter Weise be reicherte, gehört mit 2u den Schriftstellern, die das Leben des fünfzehn jährigen Jünglings im Lüneburger Michaeliskloster dichterisch gestalteten. Bachs Studieneifer als Chorpräfekt, seinen Besuch bei dem gleichfalls aus Eisenach gebürtigen Kantor Johann Jakob Loewe, entnehmen wir der Er zählung Der heilige Strom fließt weiter™, die keineswegs belehrend, aber ge schickt musikgeschichtliches Wissen vermittelnd, eine nützliche Aufgabe erfüllt. Im Qrgelrauscherß® Kurt Arnold Findeisens kommt Bachs Ver ehrung für den Orgelmeister Georg Böhm zum Ausdruck. Sebastian lernt bei ihm ein Werk Buxtehudes kennen und wird sich dessen bewußt, daß er Neuem und Großem gegenübersteht, mit dem er noch nicht so recht fertig zu werden weiß. Inhaltlich stimmen zwei Geschichten fast überein, nämlich HansFrancks Wer bist du si und Der Mettenschüler 82 von Walter Möller. Im Mai 1701 wanderten Bach und Erdmann von Lüneburg nach Winsen an der Luhe. Dort stiegen sie durch das Fenster der Sakristei in die Kirche ein, um die Orgel zu probieren. Während nun Francks mit viel Liebe geformte Kurz geschichte, als deren kaum übertroffener Meister sich der Dichter in un serem Halbjahrhundert seinen Ruf begründete, damit endet, daß der so be gabte Bach nach seinem Namen gefragt wird, muß der Jüngling bei Möller zur Strafe die Orgel zum Gottesdienst schlagen. Francks Die Pilgerfahrt nach Lübeck 83 ist ein fester Begriff für viele Bach freunde. Der Dichter, der am 30. Juli 1959 achtzig Jahre alt wurde und in Mecklenburg lebt, schreibt in einer kleinen Autobiographie über den Ablauf seines Arbeitstages: „Abend für Abend erklingt Musik, vor aller anderen die Johann Sebastian Bachs.“ 84 Ist von Bach in der Dichtung die Rede, wird zunächst Francks Arbeit neben der von Sohle zitiert, ein Zeichen da für, welcher Wertschätzung sich die Novelle mit vollem Recht erfreut. Ein Vergleich mit weiteren Erzählungen, die dem Lübecker Themenkreis zu gehören und von Bachmann, Ludwig Bäte, Ernst Kurt Baer und Mia Munier-Wroblewski stammen, führt besonders im Hinblick auf die dichte rische Gestaltung zu interessanten Ergebnissen. Der zwanzigjährige Arnstädter Organist pilgert im Oktober 1705 zu Fuß nach Lübeck, um dort an Ort und Stelle von Dietrich Buxtehude zu lernen, den er tief verehrt. Zugleich gilt es abzuwägen, ob sich Bach um die frei werdende Organistenstelle bewerben soll, die ihn nach einer amtlichen Be stimmung verpflichten würde, die altjüngferliche Tochter des Meisters zu heiraten, oder - wie es bei Franck so treffend heißt - „als Knochenbeilage 79 Der klingende Grundstein. Essen 1937, S. 184—195. 80 a. a. O., S. 16-18. 81 Die vier großen B. Freiburg im Br. 1955, S. 5 — 19. 82 Dur und Moll. Oranienburg 1929, S. 9—17. 83 Berlin 1954. 84 Das Her^gesihenk. Hans Franck %um 7/. Geburtstag. Hannover 1954, S. 14.