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Hans-Martin Pleßke 32 ker 140 steuern ebenfalls Beiträge zum jugendlichen Bachverständnis bei, in denen - wie bei Herzfeld - das Episodische und bei Schmücker ein bio graphischer Grundton vorherrschen. Zur Abrundung des Bachbildes der Prosa sind einige Werke zu nennen, die unseren Helden nicht mehr selbst auftreten lassen, sondern die Bewahrung und Weiterpflege seiner Musik beinhalten. Wolfgang Sachse setzt Anna Magdalena mit einer sich 1759 zutragenden Geschichte Der letzte Klang 141 ein Denkmal und führt dem Leser vor Augen, wie sich Bachs eigene Zeit an seiner Witwe verging, die fast völlig vergessen ein unbeachtetes Dasein führte und im Elend starb. Goethes Beschäftigung mit der Musik des Mei sters nimmt Hans Franck zum Vorwurf für sein Trompeterstückchen 1 * 2 , eine Kurzgeschichte, in die der Dichter das wenig ergiebige authentische Material einbaut, das uns in dieser Hinsicht überliefert ist. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, würde eine systematische Einbe ziehung der Mendelssohn-Belletristik den Rahmen unserer Betrachtung sprengen. Nicht unerwähnt darf jedoch ein Roman bleiben, der sich fast hundert Jahre nach Brachvogels unseliger Tat ebenfalls als ein übles Mach werk entpuppte. Der französische Schriftsteller Pierre la Mure legt mit Diebe hat viele Namen 143 in deutscher Übersetzung ein - wie es im Vorwort heißt - „frei gestaltetes Lebens- und Charakterbild“ vor, das nicht nur Felix Mendelssohn-Bartholdy in keiner Weise gerecht wird, sondern völlig falsche Vorstellungen von der Bachpflege des 19. Jahrhunderts hinterläßt. In diesem Roman wimmelt es von Geschichtsverdrehungen und -fälschun- gen, wobei es dem Verfasser nicht darauf ankommt, ob es sich um das Schicksal der Matthäuspassion handelt oder Behauptungen über den hand schriftlichen Nachlaß unseres Sebastian aufgestellt werden, die außerordent lich phantastisch klingen und der Wahrheit in keiner Beziehung entspre chen 144 . Eine schon vom Literarischen her höchst „fragwürdige“ Angelegenheit ist die Satire 145 von E. Klotz auf die Ausgrabung der Gebeine Bachs, mit der der Autor ein Thema berührt, das die Gemüter wohl nie endgültig zur Ruhe gelangen läßt. Unser Verweilen bei Bach-Romanen, -Novellen und -Erzählungen der letzten Jahrzehnte zeigt, daß es notwendig ist, die vorliegenden Dichtungen kritisch zu prüfen, selbst dann, wenn es sich um bekanntere Autoren han delt. Neben durchaus beachtlichen Leistungen stehen kleinere Arbeiten, die der gestellten Aufgabe kaum gerecht werden. Während bei der Erfassung der Prosawerke eine gewisse Vollständigkeit gegeben ist, dürfte sie im 1X0 Johann Sebastian Bach. Paderborn 1950. 141 a. a. O., S. 57-88. 142 Die vier großen B, a. a. O., S. 42—62. 143 Rudolstadt 1957. 144 Vgl. F. Müller in: Glaube und Heimat. (Evang. Sonntagsblatt für Thüringen.) Jg. 13. 1958, Nr. 4, S. 3. — Musik und Gesellschaft. Jg. 8. 1958, S. 297—298. 145 Das fragwürdige Todtenbein von Leipzig. Leipzig 1906.