Bach in der deutschen Dichtung 51 Durchaus kritischen Charakter haben zwei in belletristische Form geklei dete Arbeiten. Helmut Meyer von Bremen schrieb eine Lesespiel Mei sterwerke der Tonkunst unterhalten sich 262 , in dem die personifizierte „Mat thäuspassion“ auftritt und von gewissen Vergewaltigungen spricht, denen sie infolge zunehmender Rundfunkübertragungen ausgesetzt ist. Das an dere Werkchen, eine Satire 263 , die aus der Feder des Londoner Kritikers F.Bonavia (?) - auf Grund der Angabe des Übersetzers - stammen soll, behandelt auch die Kunst der Fuge, deren Aufführungspraxis wohl nicht immer mit den Auffassungen übereinstimmt, die Bach selbst bei der Nieder schrift gehabt haben wird. Da sich unsere Dichter und Schriftsteller in ihren Romanen, Erzählungen und Novellen mitunter nur ganz am Rande mit der Musik Bachs beschäfti gen, wäre es vermessen zu behaupten, mit der vorliegenden Würdigung sei der Kreis der in Betracht kommenden Autoren bereits lückenlos erfaßt. Es ist schon jetzt mit Sicherheit anzunehmen, daß unser Thema besonders nach dieser Seite hin einer gelegentlichen Ergänzung bedarf. Die Wider spiegelung der Musik Bachs in der modernen deutschen Dichtung ist in jeder Beziehung vielseitig. Bei allen Autoren ist zunächst etwas von deren verehrender Hingabe an den Genius Bach zu spüren, obwohl sie im ein zelnen von ganz unterschiedlichen weltanschaulichen Positionen aus an die I Darlegung ihrer Gedanken herangehen. Wenn Otto Franzmeier über ein Kirchenkonzert berichtet und es im Stile christlicher Erbauung analy siert, so werden nicht alle Leser der kleinen Geschichte dem Verfasser un eingeschränkt zustimmen. Was sie jedoch mit dem Autor gleichermaßen empfinden, ist dies, daß Bachs Musik „zu neuem, schönerem Beginnen“ 264 ft führt, eine Erkenntnis, die sich wie ein roter Faden durch zahlreiche der rl hier genannten Prosawerke, Dramen und Gedichte zieht. H Bei Bach in der deutschen Dichtung handelt es sich um ein weitverzweigtes D Gebiet, dessen Einbeziehung in die Auseinandersetzungen um das Bachbild unserer Zeit nützlich und notwendig ist. Daß uns Schriftsteller und Dichter xt trotz des beträchtlichen Umfanges der Belletristik in den letzten zwei Jahr- jd hunderten noch manches schuldig geblieben sind, wurde im Verlaufe der Betrachtung aufzuzeigen versucht. Daß wir es aber nicht nur mit solchen t3 Erscheinungen zu tun haben, die eine negative Kritik herausfordern, dürfte du ebenfalls sichtbar geworden sein. In vielen Fällen ist das ehrliche und von äV Verantwortungsbewußtsein getragene Bemühen der Autoren zu spüren, ub den Menschen des 20. Jahrhunderts Johann Sebastian Bach so nahezu- itd bringen, daß das in den Dichtungen sich widerspiegelnde Bild der geleh rtst ten Wirklichkeit weitestgehend entspricht. Dieses Fazit stimmt uns zuver- biz sichtlich; es sollte aber zugleich eine Mahnung an alle Freunde Bachscher jM Musik sein, sich auch in Zukunft für ein der Wahrheit entsprechendes Bach- >Iid bild in der schönen Literatur einzusetzen. . 282 262 Zeitschrift für AUtsik. Jg. 101. 1934, S. 754—760. . ,:a - 263 Zwiegespräch im Elysium, ebenda, Jg. 104. 1937, S. 122—123. \ ms 264 j) üS K on ~ er t_ l n: Soli Deo Gloria. Stuttgart 1950, S. 54.