Joh. Seb. Bachs Sammlung von Kantaten seines Vetters Johann Ludwig Bach 63 erstreckt sich von der äußersten Schlichtheit - so in JLB 1/14 - bis zu den ausdrucksvolleren und kontrapunktischen Gebilden in JLB 5 und 1. Die Schlußchoräle sind fast durchweg von Instrumenten begleitet, nur |LB 15 und 16 haben schlicht-vierstimmige Sätze. Und hier stoßen wir auf eine außerordentlich charakteristische Eigenheit der Choralbegleitung JLBs. Am vertrautesten ist ihm eine Aufteilung, bei der der Singbaß mit dem Instrumentalbaß zusammengeht, der Tenor ohne instrumentale Ver dopplung bleibt, die Viola mit dem Alt, Violine II mit dem Sopran geht und Violine I selbständig geführt wird 39 . Ist der Satz mehr als fünfstimmig, so unterlaufen ihm leicht Quinten- und Oktavparallelen. Innerhalb der ersten 12 Kantaten folgt die Violine II dem Sopran in 4 Fällen (JLB 1, 2, 4, 5) streng, in 5 anderen frei. In JLB 2, 4, 5 und 14 spielen die Streicher repetierende Achtelnoten zu den Viertelnoten des Chors (s. Beisp. 3 - vgl. die verdeckten Quinten zwischen den Außenstimmen im 2. Takt). Dies ist vielleicht die häufigste Erscheinung. In keiner einzigen der 17 Kantaten erscheint ein Kirchenlied an anderer Stelle als am Schluß, und dort nur in vokal vierstimmiger, meistens instru mental begleiteter Form 40 . Auch dies wiederum ist ein charakteristischer Unterschied gegenüber den Kantaten J SBs, in denen ein Choral an nahezu jeder Stelle auftreten kann. Eine äußerst charakteristische Eigenheit der Werke JLBs ist seine Abnei gung gegen strenge Kontrapunktik. Nicht, daß er dazu überhaupt nicht imstande wäre. Beispiel 2 zeigt deutlich die Art von Polyphonie, mit der er vertraut ist. Aber in strengen Fugen (bedeutsam sind nur die drei Sätze 7/7, 14/1 und 15/7) macht er häufig Fehler. Beisp. 4 zeigt sogar einen Ver besserungsversuch. Der anspruchsvollste Kompositionsversuch auf dem Gebiet der Fuge fin det sich in JLB 7/7 zu den Worten „Glaub und Werk zusammen“. Die Kom position nimmt 39 Takte ein. Ziehen wir den letzten Takt, der nur den Schlußakkord enthält, ab, desgleichen die ersten 8 Takte, in denen der Kontrapunkt effektiv nur zwei- und dreistimmig verläuft, dazu zwei homo phone Episoden, die sich über insgesamt 8 Takte erstrecken, so bleiben nur 22 vollstimmige Fugentakte übrig. Hier versucht sich JLB in einem sieben stimmigen Gebilde, ausgeführt von 4 Singstimmen, Violine I und 2 Hör nern. In diesen 22 Takten finden sich 14 und mehr Beispiele an Quinten- und Oktavparallelen. Beispiel 5 zeigt den Schluß mit Quintparallelen in den Außenstimmen, ein Satzfehler, wie er sich exponierter nicht denken läßt. Beispiel 6 zeigt einen anderen Fall derartiger Quinten, der durch die gleich zeitig auftretenden Nonenparallelen noch unschöner wirkt. Endlich ist noch auf die besonders unschöne Stelle in Beispiel 7 hinzuweisen. 39 Vgl. Beisp. 3. 10 Einen Einzelfall stellt JLB 16/4 dar, dessen neutestamentlicher Text, Eph. 2, 4—7, auch als Antiphon gebräuchlich ist und der daher auf den in verschiedenen evangeli schen Gesangbüchern (seit 1541) heimischen Cantus firmus, Zahn Nr. 8622 vor getragen wird.