Eine neue Quelle zu drei Kantatentexten Johann Sebastian Bachs Von Helmut K. Krausse (Kingston, Ontario) Zu den vielen Höfen - besonders im mitteldeutschen Raum an denen im späten 17. und im 18. Jahrhundert regelmäßig gottesdienstliche Kantaten auf geführt wurden, gehört auch der herzoglich Gothaisch-Altenburgische Hof zu Gotha. Armin Fett hat über die Musikpflege an diesem Hof ausführlich be richtet, 1 und auch Walter Blankenburgs Studie über „Die Aufführungen von Passionen und Passionskantaten in der Schloßkirche auf dem Friedenstein zu Gotha zwischen 1699 und 1770“ trägt Wesentliches zu unserem Wissen über kirchenmusikalische Veranstaltungen am Gothaischen Hof bei. 2 Diese Tradition war schon lebendig, als Gottfried Heinrich Stölzel im Jahre 1720 das Amt des 1716 verstorbenen Hofkapellmeisters Witt antrat, eine Stelle, die u. a. auch Telemann angeboten worden war. In den 30 Jahren, die Stölzel dieses Amt verwaltete, soll er acht Doppeljahrgänge von Kantaten komponiert haben, wie schon Mizler zu berichten weiß. 3 Stölzels Kantaten sind das Thema einer um fassenden Studie von Fritz Hennenberg, die 1965 in Leipzig als Dissertation vorgelegt wurde und 1976 in gekürzter Form im Druck erschien. 4 Daß Stölzel u. a. von M. Johann Knauer mit Kantatentexten versorgt wurde, darauf hat Paul Brausch schon 1921 in seiner Heidelberger Dissertation hingewiesen. 5 6 Die Suche nach Texten von Knauer in westdeutschen Bibliotheken führte mich zu dem Band der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttin gen, Gott-geheiligtes Singen und Spielen des Friedensteinischen Zions.Das sechsseitige Vorwort, auf den 22. Dezember 1720 datiert, stammt von dem Gothaischen Oberhofprediger Albrecht Christian Ludwig (gest. 1733) und ent hält nach dem Versuch einer Rechtfertigung der Kirchenmusik den Hinweis: „Diesem nach haben Unsers Gnädigsten und Hertzliebsten Hertzogs und Lan- des-Vaters Hochfürstl. Durchlauchtigkeit / wie Sie ein hoher Kenner und Lieb- 1 A. Fett, Musikgeschichte der Stadt Gotha, Dissertation (masch.-schr.), Freiburg i. Br. 1952. 2 Die Aufführungen von Passionen und Passionskantaten in der Schloßkirche auf dem Friedenstein zu Gotha zwischen i6gg und 2770, in: Festschrift Friedrich Blume zum 70. Geburtstag, Kassel etc. 1965, S. 50—59. 3 L. C. Mizler, Neu erößnete Musikalische Bibliothek, Bd. IV Teil 1, Leipzig 1754, S. 152. 4 Das Kantatenschaßen von Gottfried Heinrich Stölzel, Leipzig 1976 (Beiträge zur Mu sikwissenschaftlichen Forschung in der Deutschen Demokratischen Republik. 8.). - Hen nenberg verfaßte (zusammen mit Dieter Hartwig) auch den Stölzel-Artikel in MGG (Bd. 12, Kassel etc. 1965). 5 Die Kantate. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Dichtungsgattungen. 1. Geschichte der Kantate bis Gottsched, Dissertation (masch.-schr.), Heidelberg 1921, S. 171. 6 Signatur: Poet. Germ. III, 746. Den vollständigen Titel zeigt die Abbildung auf S. 18.