Eine neue Quelle zu drei Kantatentexten Johann Sebastian Bachs 9 nicht unbedingt die Annahme zu, daß Knauer um diese Zeit schon verschieden war. 9 Letztlich aber macht es die Tatsache, daß Knauer die erstmals 1711 und 1714 erschienenen Kantatentexte des Neumeisterschen dritten und vierten Jahrgangs kannte (Näheres darüber unten), unmöglich, daß es sich bei dem Verfasser der Gothaischen Kantatentexte und dem bei Jöcher angeführten Diaconus Knauer um dieselbe Person handelt. Inzwischen wurde durch freundliche Auskunft von seiten der Ev.-Lutherischen Kirchengemeinde in Schleiz das bei Jöcher genannte Todesdatum bestätigt. Es dürfte sich deshalb bei unserem Kantatendichter wohl um einen in den Fußtapfen des Vaters folgenden gleichnamigen Sohn han deln; von dem Amt eines hochgräflich Reußischen Hofpredigers wird in Lud wigs Vorwort zu der Textsammlung nichts erwähnt. Zu klären bliebe dann noch die Frage, ob die bei Jöcher angeführte Samm lung von „Trauer- und Hochzeit-Reden“ dem jüngeren oder dem älteren Knauer zuzuschreiben ist. Das Werk: M. Johann Knauers ausgefertigte Trauer und Freuden-Glocken ... ln einigen Leich-Abdanckungen und Hochzeit-Reden. Jena und Leipzig, 1697 lu , enthält ein Vorwort, in dem Knauer dankbar eini ger Gönner gedenkt. Dies läßt uns annehmen, daß der Verfasser noch ver hältnismäßig jung im Amt ist. Wenn wir dazu bedenken, daß die spätere Frau Stölzel und älteste Tochter Knauers etwa um diese Zeit geboren wurde, so liegt wohl die Vermutung nahe, daß der Verfasser der „Trauer- und Freu den-Glocken“ auch der Dichter der Kantatentexte ist, der dann beim Erschei nen derselben im Jahre 1720 etwa 55 Jahre alt gewesen sein dürfte. Allen Texten Knauers gemeinsam ist die Zweigliedrigkeit, wobei jeder Teil mit einem Bibelvers beginnt und mit einem Choral endet. Das weitaus häufig ste Schema ist: Bibeltext-Rezitativ-Arie-Rezitativ-Arie-Choral (= Kirchenlied) - Bibeltext-Rezitativ-Arie-Rezitativ-Arie-Choral. Fast zwei Drittel der Texte folgen diesem zwölfsätzigen Schema; vom 12. Sonntag nach Trinitatis an fin den sich aber auch häufiger verkürzte Typen, bei denen meist das erste Rezi tativ ausgelassen ist: Bi-A-R-A-Ki — Bi-A-R-A-Ki. Andere Abweichungen vom vorherrschenden Schema sind durch die Einfügung von Chorälen an Fest tagen oder die Verschränkung von Arien und Rezitativsätzen gegeben. Die Sammlung enthält drei Dialogkantaten, nämlich für den 4. Advent, Reminiscere und Quasimodogeniti, in denen als Jesu Dialogpartner der Sünder, die gläu bige Seele und die Vernunft auftreten. Die Bibeltexte stammen sowohl aus dem Alten als aus dem Neuen Testament, allerdings ohne den Versuch einer schematischen Anordnung wie etwa in den Kantaten von Johann Ludwig Bach. * 11 Die Mehrzahl der Bibelzitate stammt aus dem Neuen Testament, doch nur ein Drittel der Texte ist den sonntäglichen Perikopen entnommen; sie sind aber auf das Evangelium des Sonntags abgestimmt, das sie zu erhellen und zu 9 Vgl. J. Mattheson, Grundlage einer Kbren-Pforte, Hamburg 1740, Neudruck, hrsg. von M. Schneider, Berlin 1910, S. 346. 10 Exemplar: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Tbeol. S° 9114. 11 Vgl. W. H. Scheide, Johann Sebastian Bachs Sammlung von Kantaten seines Vetters Jo hann Ludwig Bach, BJ 1959, 1961 und 1962, sowie Dürr K, S. 52ff.