Alumnen und Externe in den Kantoreien der Thomasschule zur Zeit Bachs Von Andreas Glöckner (Leipzig) Über die vokale und instrumentale Besetzung der Musik des 17. und 18. Jahr hunderts ist seit den 1980er Jahren lebhaft debattiert worden; kontrovers dis kutiert wird vor allem die Frage der Vokal- und Instrumentalbesetzung von Bachs Leipziger Ensemblewerken. Nicht wenige der hierfür relevanten Doku mente erfahren dabei geradezu widersprüchliche Interpretationen, wie der schon seit längerer Zeit geführte Disput 1 2 um Bachs „Entwurff einer wohl bestallten Kirchen Music“ vom 23. August 1730 : belegt. Eine umfassende Bewertung aller einschlägigen Quellen - vor allem jener zu den organisatori schen Strukturen am Thomaskantorat und den Begleitumständen der Badi schen Aufführungen - steht allerdings noch aus. 3 Auch wird in der derzeitigen Diskussion mitunter übersehen, daß sich die Verhältnisse am Leipziger Thomaskantorat nicht prinzipiell von denen anderer mitteldeutscher Schul kantoreien etwa in Freiberg, Dresden, Grimma, Meißen oder Pforta unter schieden. Methodisch problematisch erscheint zudem die Annahme einer an höfischen Kapellen wie städtischen Kantoraten identischen Verfahrensweise bei der Darbietung von figuraler Kirchenmusik. 4 Zur Besetzung der vier Thomasschul-Kantoreien sind - sofern die Glaub würdigkeit dieser Dokumente nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird - zwei eindeutige Aussagen Bachs überliefert; 1. In einer Eingabe an den Leipziger Rat vom 18. Mai 1729 bemerkte der Thomas schulvorsteher Christian Ludwig Stieglitz, daß Bach zur „Bestellung des Gottes- 1 Die Diskussion um Bachs Chorbesetzung wurde Anfang der 1980er Jahre von dem amerikanischen Musikwissenschaftler Joshua Rifkin angestoßen. Seitdem sind zahl reiche Beiträge zu diesem Thema (namentlich von Rifkin selbst) erschienen. Vgl. auch A. Parrott, Bachs Chor: Ein „Kurtzer, iedoch höchstnöthiger Entwurff" zur Neubewertung, in: Bachwoche Ansbach 1995. Offizieller Almanach. S. 25 ff.: sowie Parrott. The Essential Bach Choir. Woodbridge 2000: deutsche Fassung: Bachs Chor. Zum neuen Verständnis, aus dem Englischen von C. Brusdeylins. Stuttgart und Kassel 2003 (auf S. 213-218 auch eine umfangreiche Bibliographie der einschlägi gen Literatur, auf die hier pauschal verwiesen sei). 2 Dok I, Nr. 22. 3 Sie ist Thema einer umfassenden Studie, die in den kommenden Jahren am Bach- Archiv Leipzig erarbeitet werden soll. 4 Vgl. H.-J. Schulze, Besprechung von Parrott, Bachs Chor. Zum neuen Verständnis, in BJ 2003, S. 267-270.