Zu Bachs Weihnachts'oratorium, Teil 1 bis 3. Von Prof. Woldemar Voigt, Göttingen. Die nachfolgenden Zeilen stellen keine methodische Unter suchung dar, ja sie halten sich nicht einmal streng und aus schließlich an den in der Überschrift genannten Gegenstand. Dieser letztere bildet nur den Mittelpunkt, um den herum sich die Betrachtungen einigermaßen frei bewegen, bald weit fort inS altgcmeine schweifend, bald nahe zu ihm zurückkehrend. Der eine Hauptpunkt der Darlegungen ist eine Stellung nahme zu gewissen prinzipiellen, viel umstrittenen Fragen, zu denen die Bachschcn Vokalwerke Anlaß geben, — Fragen, die sich bei verschiedenen Werken verschieden stark ausdrängen, die gerade bei dem Weihnachtsoratorium in ziemlicher Mannig faltigkeit austauchen und sich daher nicht unvorteilhaft mit diesem Werke in Beziehung setzen lassen. Ich weiß sehr wohl, daß die folgenden Darlegungen hierin nicht durchaus oder vorwiegend Neues enthalten, wenn ich auch meine, in ihnen manche Hauptpunkte klarer zu formulieren und eingehender zu verfolgen, als gemeinhin geschieht. Das wichtigste Ziel ist mir, weitere, mit Bach noch nicht tiefer vertraute Kreise auf jene allgemeinen Fragen hinzulenken, deren richtige Beantwortung für das Verständnis der Bachschcn Musik sehr wesentlich ist. Daneben und im engen Zusammenhänge hiermit möchte ich dann eine Erläuterung und Würdigung des Wcihnachts- oratoriums im engeren Sinne des Wortes, — d. h. der Kan taten für die drei Weihnachtsfeiertage — darbieten. Dies Werk wird meines Erachtens, — zum Teil wohl, weil es eine Reihe von Entlehnungen enthält, — vielfach nicht für voll an gesehen, sondern wie eine gleichgültig und eilig zusammcn- gestoppelte Arbeit behandelt. Ich glaube, daß dies nicht richtig ist, daß darin vielmehr eine Fülle von Poesie und Sinnigkeit 1