W. Friedemann Bach und seine haitische Wirksamkeit Kurze Beitrages vom Kgl. Musikdirektor E. Zehler (Halle). Wohl selten sind Erwartungen so getäuscht, Hoffnungen so unerfüllt geblieben als in Bezug auf die geistige und künstlerische Entwicklung Friedemann Bachs. Die geniale Be gabung, die von seinem Vater Seb. Bach früh erkannt und gepflegt und von dem ihm unter den Brüdern an Allgemein bildung und musikalischer Befähigung am nächsten stehenden PH. Emanuel Bach neidlos anerkannt wurde, reichte eben sowenig wie das hohe und erhabene Vorbild seines Vaters hin, ibm in der Musikgeschichte die Stellung zu verschaffen, die dem ältesten und begabtesten Sohne eines Seb. Bacb ge bührt hätte 2). Sucht man nach den Gründen dieser auffallenden Erschei- 1) Der Versager behält sich vor, dieses Thema zum Gegenstand einer größeren Arbeir zu machen und dabei das noch vorhandene Material zu benutzen, um ein möglichst vollständiges Bild von Friedemanns hallischer Tätigkeit zu geben. 2) Friedemann erhielt von seinem Vater frühzeitig Unterricht im Klavier- und Orgelspiel; schon im 10. Jahre bekam er von seinem Vater das „Klavierbüchlein", eine Sammlung Übungsstücke, zu diesem Zweck von Seb. Bach geschrieben, dem die „Sechs Sonaten für zwei Klaviere und Pedal" bald folgten. PH. Spirra, Joh. Seb. Bach, I. Band, S. 660 und C. H. Bitter, C. PH. Emanuel und W. Friedemann Bach und deren Brüder, II. Band, S- 150f. PH. Emanuel sprach sich über Friedemanns reiche Be anlagung mit den Worten aus: „Er konnte unfern Vater eher ersetzen, als wir alle zusammen genommen" (KI!, wir Brüder).