Hermann Kretzschmar. Am 19. Januar 1918 feierte Hermann Kretzschmar seinen siebzigsten Geburtstag. Unter die nachträglichen Gratulanten stellt sich nunmehr auch das Bachjahrbuch, um dem Begründer der Neuen Bachgesellschaft seinen Gruß zu entbieten. Waö Kretzschmar für die Sache Bachs getan, ist nicht mit wenigen Worten erschöpft. Von den Analysen des ersten „Führer"-Bandes an bis hin zur unmittelbaren Gegenwart hat seine Feder niemals geruht, dem Verständnis Bachs und seiner Zeit und einem lebendigen, poesieerfüllten, auf durchdringender Erkenntnis der geschichtlichen Grundlagen beruhenden stilgetreuen Vortrag seiner Werke den Weg zu bereiten. Mehr noch. Da durch, daß er mit vorausschauendem Blicke im Jahre 1900 die Neue Bachgesellschaft inö Leben rief, ihr wichtige Zukunfts aufgaben stellte und selbst die Zügel der Organisation in die Hand nahm, hat er nicht nur erreicht, daß die treibenden Kräfte der Alten Bachgesellschaft, statt ins Leere auszugehn, in Be wegung blieben, sondern daß auch in der Wiederbelebung Bachs eine neue Zeit überhaupt anbrach. Denn bei aller Anerkennung dessen, was auch zuvor schon an hingebender Arbeit für Bach geleistet worden war, ist doch nicht zu verkennen, daß mit der Einführung der Bachfestc und dem Beginn der Veröffentlichungen der Neuen Bachgesellschaft allenthalben, vor allem auch in kleineren Orten, ein starker Aufschwung der Bachpflege begann. Der große Kreis von Mitarbeitern und Förderern, die Kretzschmar der Bewegung dauernd gewonnen hat — in erster Linie unter den ausübenden Künstlern Deutschlands —, hat erreicht, daß das Verständnis für Bach in beträchtlichem Maße wuchs und viele seiner Werke auch da wieder festeren Fuß faßten, wohin