I 7 2 Conrad Freyse Predigerplatz, besuchten. Alle Kinder wurden in den musikalischen Fächern herangebildet. Im übrigen hallten die Räume des Hauses wider von Musik, wie es der Beruf des Vaters erforderte. Zu den täglichen Verrichtungen gehörte das Turmblasen und das zweimalige Abblasen auf dem Rathaus. Innerhalb der kirchlichen Verpflichtungen war der Stadtpfeifer dem Kan tor unterstellt. Johann Andreas Schmidt hatte sein Kantorenamt kurz vor Ambrosius (März 1671) angetreten. Nach Schmidts Tode (1. 7. 1690) über nahm Andreas Christian Dedekind das Kantorat, tüchtig als Schulmann und Komponist, auch als Lehrer Sebastians bemerkenswert und mit der Bach- Familie eng befreundet, so daß wir ihn zu den regelmäßigen Hausgästen zählen dürfen. Da uns für Sebastians Jugendjahre nur wenige Nachrichtenquellen zu Gebote stehen, muß uns auch das in den amtlichen Niederschriften am Rande Vermerkte wichtig erscheinen, sobald es auf das Familienleben Licht wirft. Zu diesen Quellen gehören die Schulmatrikel 1692 bis 1695. Schon früh durften die Eltern sich an den geistigen Anlagen ihres Jüngsten er freuen. Daß er infolge seiner vortrefflichen Sopranstimme (wie die Genea logie vermerkt) sowohl im „Chorus symphoniacus“ als auch in der „Cur- rende“ mitgesungen hat, wird durch die Schülerverzeichnisse wahrschein lich gemacht. Wir dürfen annehmen, daß Sebastian im Hause seiner Eltern glückliche Kinderjahre verbracht hat. Der vielseitige Beruf des Vaters führte ihn früh an die besten Kunstleistungen der Stadt heran. Standen die kirchlichen Musikaufführungen im Vordergründe, so war doch auch die weltliche Musik mit glanzvollen Hof- und Rats-Festen vertreten. Hier konnte die Kunst des Vaters als Trompeter in dem empfänglichen Knaben unvergeß liche Eindrücke hinterlassen, die in dem schaffenden Meister nachgeklungen haben mögen. Vergessen wir in diesem Zusammenhänge auch nicht den Großonkel auf der Organistenbank von St. Georg: Johann Christoph Bach 14 , der schon damals zu den Berühmten des Bach-Geschlechtes gehörte. Waren im Verlaufe eines Vierteljahrhunderts Leid und Trauer nur in be scheidenem Maße eingekehrt, so zog sich plötzlich ein Verhängnis zu sammen, das innerhalb von noch nicht zehn Monaten die Grundfesten der Familie erschütterte. Das Schicksalsjahr 1694 wurde eingeleitet durch den plötzlichen Tod der Mutter, die am 3. Mai am Fuße der Kreuzkirche 15 be stattet wurde. Zwar gab Johann Ambrosius seinen Kindern schon bald eine neue Mutter: Barbara Margaretha Bartholomäus, geb. Keul (Tochter des Arnstädter Bürgermeisters), die in erster Ehe mit Job. Günther Bach, Sohn des Organisten Heinrich Bach an der Liebfrauenkirche in Arnstadt, in zweiter Ehe mit dem dortigen Diakon Jacobus Bartholomäus verheiratet war. Ihre dritte Ehe wurde in Eisenach (27. November 1694) geschlossen. 14 Vgl. Conrad Freyse, Johann Christoph Bach, BJ 1956 S. 36fr. 15 Die Kreuzkirche war 1692—1695 auf dem neuen Friedhof, jenseits der Stadtmauer am Prediger-Tor, aus den Trümmern der Dom-Türme als Friedhofskirche erbaut worden.