Das Rezitativ der Kirchenkantaten J. S. Bachs II kenswert ist die Textbehandlung. Einerseits wird ein wichtiges Wort hervorgehoben, rückt direkt in den Mittelpunkt, andererseits wird es ge rade dadurch aus dem Sinnzusammenhang gelöst. Seine Betonung ge schieht gewissermaßen auf Kosten des „und Leben“. Außerdem: Nicht nur in rhythmisch-metrischer, auch in melodischer Hinsicht besteht eine deutliche Beziehung zwischen Anfangs- und Schlußgruppe. Diese er scheint geradezu als unmittelbare Fortsetzung jener (unter Auslassung des Einschubes also). Damit ist aber der einfache Textzusammenhang aufgehoben. Das hervorstechende Merkmal der ersten Gruppe der Stelle „und die auf Erden, Luft und Meer / in deinem Schatten wohnen“ ist die durch die Aufzählung hervorgerufene weitgehende Auflockerung 36 . Dadurch tritt eine erhebliche Erweiterung gegenüber den vier Betonungen der ersten Zeile ein. Es bilden sich deutlich zwei rhythmisch-metrische Abschnitte von je drei Schlägen, von soviel nämlich, wie die normal behandelte zweite Gruppe aufweist. Unabhängig von der Zeilen- wie von der Grup peneinteilung entstehen also drei gleichlange Teile 37 . Die Störung in der ersten Gruppe ruft eine völlig neue, vom Text unabhängige Ordnung hervor. Die Zeilen „weil ihr euch nicht bessert / und täglich die Sünden ver größert, / so müsset ihr alle so schrecklich umkommen“ haben a = 2, b = 3, c =4 Betonungen 38 . Die der ersten Zeile a zugeordnete Gruppe x wird durch die Verwendung eines Viertelwertes auf drei Schläge gebracht - gegenüber den zwei Textbetonungen. Die Betonungen der zweiten Zeile b und die Schläge der zweiten Gruppe ß entsprechen einander. In beiden Fällen sind es drei. Nicht so einfach ist das Verhältnis zwischen der dritten Zeile c und der durch eine Achtelpause aufgelockerten dritten Gruppe y: 1) Unter Auslassung der Pause ergibt sich zunächst eine Übereinstim mung zwischen den vier Betonungen von c und den vier - vollen - Schlägen von y. 2) Die Pause teilt die Gruppe y jedoch in zwei rhythmisch-metrische Abschnitte (III und IV) auf - während vorher Gruppe und rhyth misch-metrischer Abschnitt identisch waren: x = I, ß =11. 3) Der Abschnitt III hat wiederum - wie I und II - drei Schläge (wie der zugeordnete Text drei Betonungen). 4) Unter Einbeziehung der beiden Schläge der Schlußkadenz erhält auch der Abschnitt IV drei Schläge. Der Gesamtablauf ist mithin in vier gleichlange rhythmisch-metrische Abschnitte zerlegt. Die rhythmisch-metrische Gliederung steht also im 36 117,2 (3-6) III. 37 Bezieht man alle Pausen ein, so ergeben sich je vier Schläge, ohne daß dadurch an der grundsätzlichen Feststellung etwas geändert wäre. 38 46,4 (6-10) IV.