Johann Sebastian Bach, Mozart und die Wiener Klassik 7 fortdauernd zum obligaten Studium jedes anständigen Adepten und Mei sters. Als Mozart kaum sechs Jahre nach Bachs Tod geboren wurde, herrschte in Salzburg wie im gesamten katholisch-deutschen Raum noch der breite Prunk der spätbarocken Kirchenmusik. Vom italienisch-süddeut schen Concertato-Stil herkommend, lief diese in der Residenzstadt des kon servativen Erzbischofs Sigismund von Schrattenbach noch in den Bahnen Franz Heinrich Bibers und Antonio Caldaras, dessen Salz burger Messen wieder eine unmittelbare Verbindung zu den bedeutenden Traditionen der Wiener Schule herstellten. Diese reichten in die festliche Leopoldinische Ära der Draghi, Bertali, Marc Antonio Cesti und anderer, aus Venedig und Rom berufener Meister zurück, während die un mittelbare Traditionslinie der Salzburger Tonkunst noch im musikalischen Frühbarock wesentlich italienischer Provenienz wurzelte. Damals, um 1630, wirkte Stefano Bernardi aus Cremona als Salzburger Domkapellmeister. Seine ansehnlichen Doppelchöre lagen noch zu Mozarts Zeiten auf den Pulten der Hofsänger. Sie feiern in dem großartigen achtstimmigen „Qui tollis“ des Mozartschen Fragmentes der c-Moll-Messe (KV. 427) ihre letzte, höchste Verklärung. Bernardi war auch der Leiter der 5 2stimmigen Fest messe Orazio Benevolis zur Einweihung des neuen Domes, die viel leicht das berühmteste Denkmal des neuen, mehrchörig polyphonen Stile concertato mit obligaten Instrumenten geworden ist. Zur Zeit von Mo zarts Kindheit wirkte noch der tüchtige Schwabe Johann Ernst Eber lin als Hofkapellmeister, ein habiler Kontrapunktiker, gerne rückschauend, doch auch Neuem zugänglich, während die jüngeren Mitglieder der Hof kapelle, darunter Leopold Mozart, der Vater, vor allem Michael Haydn, Joseph Haydns jüngerer Bruder, auf den Wegen einer moderne ren Kunst, des „Populären“, wie sich Leopold Mozart ausdrückt, der spä teren Erfüllung durch die kommende Generation entgegenwanderten. Die „Salzburger Kantatenmesse“ jener „vorklassischen“ Epoche entspricht völlig der Mentalität der allgemeinen musikalischen Stilwandlung. Neben pathetischen Sätzen im schweren Stile osservato mit relativ lang ausge sponnenen Fugen, zu denen traditionsgemäß die Schlußfugen des Gloria und Credo gehören, stehen Arien und homophone Ensemble-Episoden. Diese treten durch allmähliche Einschmelzung galanter Elemente in immer stärkeren Gegensatz zu den „gearbeiteten“ Teilen. Das fröhliche Neben einander der „arbeitsamen“ mit der „rührenden und einnehmenden“ Schreibart wird zum typischen Kennzeichen des stilus mixtits im salzburgisch- österreichischen Kulturraum. Daneben läuft nach altem Brauch in der Fasten zeit und im Advent auch der alte mehrstimmige A-cappella-Gesang „nicht ohne große Devotion und innerlichen Trost, Freud und Auferbau ung“ (Meinrad Spieß, 1746) weiter. In Salzburg wird er, wie die Leipziger Motette, durch Orgel und Baß gestützt. Auch in der Salzburger Kirchen musik, in der durch das uralte Ordinarium unifizierten Messe vor allem, spielt die bildhafte, wort- oder stimmungsgebundene Symbolik immer noch eine wichtige Rolle: die auf- und absteigenden Figuren bei „ascendit“