Verstümmelt überlieferte Arien aus Kantaten J. S. Bachs 31 auszuschließen sein, nämlich BWV 63, 69, 83, 95, 104, 140, 153, 172h In den folgenden Kantaten wäre schon eher die Ergänzung eines Satzes durch Solovioline denkbar: BWV 64, Satz 7 (Arie mit obligater Oboe d'amore) BWV 73, Satz 2 (Arie mit obligater Oboe) BWV 89, Satz 3 (Continuo-Arie) BWV 167, Satz 3 (Duett mit obligater Oboe da caccia), doch stockt der rhvthmische Fluß des Satzes an keiner Stelle, so daß nirgends der Eindruck einer Ergänzungsbedürftigkeit entsteht. Insbesondere scheint uns die Prägnanz der Continuo-Melodik der Arie 89/3 in charakteristischem Gegensatz zu stehen zu den gleich zu erwähnenden Arien, in denen derCon- tinuo offensichtlich nur als schlichtes Komplement zu (mindestens) einer verlorengegangenen Obligatstimme entworfen worden ist. Diesen rest lichen Sätzen wenden wir uns jetzt zu; es sind - abgesehen von der schon erwähnten Arie 166/2 - folgende: BWV 37, Satz 2: Erhalten als Arie für Tenor und Bc.; von Violino I und II sind lediglich die Dubletten erhalten, wie aus dem schriftkund- lichen Befund und der Entstehungsfolge der erhaltenen Handschriften mit größter Wahrscheinlichkeit zu schließen ist (siehe den Kritischen Bericht I/12 der NBA, S. 142-144). Die gestaltlose, wenig prägnante Formung des Bc., besonders in den Ritornellpartien fordert offensichtlich eine instrumentale Vervollständigung. BWV 181, Satz 3: Erhalten als Arie für Tenor und Bc.; von Violino I ist nur die Dublette erhalten (von Violino II nur die Erstkopie). Der strukturelle Befund entspricht dem von BWV 37/2. In beiden Fällen dürfte ein bisher unbekannter Verlust uns den Satz ver stümmelt überliefert haben, oder vorsichtiger ausgedrückt: Wenn die genannten Sätze eine Solovioline verlangt haben sollten (oder BWV 37/2 auch zwei), so kann uns deren Stimme nicht erhalten geblieben sein! Wir betrachten nun beide Sätze etwas genauer, um festzustellen, ob dieser zunächst noch mehr gefühlsmäßige Eindruck durch eine kritische Analyse bekräftigt werden kann. Hilfreich ist dabei die Erkenntnis, daß die Bachsche Arie meist eine außerordentliche thematische Dichte zeigt, die sich in häufiger Wiederkehr von Ritornellfiguren auch innerhalb der Vokalteile äußert. Das Aufspüren von Möglichkeiten zur Einfügung derartiger „Ritornellzitate“ im Vokalteil ist daher für unsere Beweisführung besonders wichtig, daneben der Nachweis von Haltetönen und Pausen, die in keiner der übrigen vorhandenen Stimmen rhythmisch überbrückt werden. Als - freilich schwer realisierbares — Endziel würde dann eine Rekonstruk tion der vermißten Stimme(n) zu gelten haben, bei der zwar niemals eine Zu BWV 172 und der Problematik ihrer Überlieferung vgl. den Kritischen Bericht I/13 der NBA.