über öae Diffonanzoerftänönis Bachs Von Bernhard Stockmann (Berlin) Im Werk Bachs stehen Dissonanz und Konsonanz im wechselseitigen Ver hältnis. Die Dissonanz wird allgemein nicht als Farbwert verstanden, son dern gewinnt ihre eigentliche Kraft erst aus der Konsonanz. Noch bei Scheidt oder Schütz bedeutet der letzte Akkord eines Werkes nicht die end gültige Befreiung, da der Konsonanz der Konflikt zur Dissonanz fehlt. Diese Musik basiert auf dem Drei klang, wobei der Eindruck des Spannungs losen sich noch dadurch verstärkt, daß der frühere Barock dem Verhältnis von Tonika zu Dominante keine letzthin gültige Gestalt zu geben ver- i mochte. Bach hingegen erreicht den lösenden Effekt der Schlußfermate > durch vorhergehende dissonante Stauungen, die als Finalsteigerungen interpretiert werden können (vgl. im Orgelwerk die Fugen G-Dur BWV 541, r-Moll BWV 546, die letzte der großen Kyrie-Bearbeitungen BWV ) 671). - Bach nötigt die Dissonanz in die Konsonanz, anders gesagt: der 3 dissonanten Spannung hat die Lösung in die ruhende Konsonanz zu folgen. 1 Wie gewagt müssen daher in der Matthäuspassion die Choreinsätze „Laßt ;i ihn, haltet, bindet nicht“ anmuten! Gemäß der Regel der Modulation ,) (Ä-Moll nach a-Moll, e-Moll nach <f-Moll) schließen die beiden ersten dieser L Anrufe auf einem Tonikadreiklang. Der dritte Einsatz läßt im Sinne einer g gesteigerten Emphase die zweite Umkehrung des Dominantseptakkordes von } C-Dur unaufgelöst stehen. Das folgende Achtel der weiter piano gehaltenen il Instrumentalbegleitung der Solisten bringt den Dreiklang G-H-D, der [ß als Auflösung verstanden werden könnte. Es wäre aber auch zu recht- fertigen, ihn als Teil des vorhergehenden Terzquartakkordes zu deuten u und F als Ergänzung gleichsam mitzuhören, denn ohne Frage schwingt :b das Forte des vierstimmigen Chores zusamt dem Tutti des zweiten Or- io chesters weiter in den Takt hinein. Erst auf dem dritten Viertel steht der 32 scheinkonsonante Quartsextakkord G-C-E. Diese Takte erhalten ihren ia eigentümlichen Reiz durch den modulatorischen Plan. Der letzte Chor da einsatz scheint zur Modulation nach C-Dur (von G-Dur) anzusetzen. Die iS Zieltonart wird jedoch nicht erreicht, da nach dem Dominantseptakkord ib die geforderte Tonika ausbleibt. Im folgenden Viertel weicht der Kompo- in nist auf dem Quartsextakkord G-C-E kurz nach G-Dur aus, indem der bS Baß fis umspielt. Diese Art, den Septakkord der siebten Stufe zu erreichen, jjn nämlich von der Quinte der Subdominante in die Terz der Dominante zu ag gelangen, hat das späte 18. und zumal das 19. Jahrhundert bis zum Über- nb druß angewendet. Das letzte Achtel bringt jedoch den Dominantsept- iäß akkord von C-Dur, der vorhaltsartig in den Dreiklang der Dominante auf feg gelöst wird, ohne daß die Tonika C-Dur späterhin erschiene. — Mit dem dD Choreinsatz „Barrabam“ befreit sich Bach noch entschiedener von den 3Ü Regeln eines konventionellen Dissonanzverständnisses. Dieser frei ein-