66 Herfried Homburg die Freunde F. Hauser und M. Hauptmann 7 „in der Stille“ leisteten. An tons Wunsch, F. Hauser als den Spiritus rector der gesamten Bach-Renais sance herauszustellen, wurde dabei allerdings etwas zu offenkundig. Eigenartigerweise sind in der einschlägigen Literatur aber die Wieder belebungsversuche Bachscher Werke durch einen der bedeutendsten Musi ker des vorigen Jahrhunderts kaum erwähnt, obwohl dieser Mitbegründer der Bachgesellschaft zu Leipzig war, zu allen obengenannten Bachver- ehrern enge künstlerische und freundschaftliche Beziehungen unterhielt und sich auch in Wort und Schrift für eine sinnvolle Pflege des reichen musikalischen Erbes Johann Sebastian Bachs einsetzte: Louis Spohr. Mehr noch, verschiedentlich ist die Behauptung zu finden, Spohr habe wesentlich unter dem Einfluß seines Schülers (!) M. Hauptmann gehandelt, er sei eigentlich der Kunst Bachs gegenüber gleichgültig gewesen und nur gezwungenermaßen Mitbegründer der Bachgesellschaft geworden 8 . Hier soll deshalb mit bisher meist unbekannten Dokumenten auf den An teil Spohrs an der Bach-Renaissance hingewiesen werden. Louis Spohr 9 war in Seesen (Harz) und Braunschweig aufgewachsen, hatte die Braunschweiger Katharinenschule besucht und kurze Zeit theo retischen Unterricht bei dem Organisten und Komponisten Karl August Hartung erhalten. Die Werke Johann Sebastian Bachs waren, von einigen Orgelstücken und Chorälen abgesehen, zu jener Zeit in Braunschweig unbekannt. Auch im Verlaufe seiner weiteren geigerischen Ausbildung durch Franz Eck (1774-1804) und während der danach folgenden auto didaktischen Studien dürfte Spohr kaum Bachwerke kennengelernt haben. Im Januar 1804 traf er mit J. N. Forkel in Göttingen, im Dezember mit F. Rochlitz in Leipzig, im Januar 1805 mit K. F. Zelter in Berlin zusammen. 7 Moritz Hauptmann (1792—1868) war 1811 Violin- und Kompositionsschüler Spohrs, der ihn 1822 als Kammermusiker nach Kassel holte. 1842 folgte er dem Ruf als Thomaskantor nach Leipzig. K. Anton, a. a. O., irrt, wenn er behauptet, Hauser und Hauptmann hätten sich vor 1820 kennengelernt. Hauser traf Hauptmann erst 1822 in Kassel. Das beweist der Brief Hauptmanns an Hauser vom 4. 4. 1829:,,... Ich erinnere mich so gern der ersten Zeit als ich in Cassel mar, wie ich mit Spohr in der Aue war und Sie %um erstenmal sah und gleich so lieb gewann ..." 8 Diese Version vertritt u. a. auch K. Anton, a. a. O. Auch dessen Mitteilung, Haupt mann sei „Spohrs rechte Hand“ gewesen, ist unzutreffend. F. Blume, J. S. Bach im Wandel der Geschichte, Kassel 1947, erwähnt Spohr überhaupt nicht, dgl. die meisten Bach-Biographen. 9 L. Spohr (1784—1859), über seinen Werdegang vgl. die sog. Selbstbiographie, Kassel/ Göttingen 1860/61, Nachdruck Kassel 1954. Beide Ausgaben stellen lediglich eine von Verwandten Spohrs vielfach veränderte und verfälschte Bearbeitung des Original manuskriptes dar. Eine nach diesem gestaltete neue Ausgabe mit wissenschaftlichem Anmerkungsteil unter dem Titel Gebenserinnerungen, hrsg. von F. Gothel, erscheint in Kürze. Für die vorliegende Arbeit konnten bisher unzugängliches Briefmaterial aus privatem Besitz sowie Archivalien der Louis-Spohr-Gesellschaft in Kassel ausgewertet werden.