Louis Spohr und die Bach-Renaissance 81 mit der kirchlichen Feier des Charfreitags im vollkommensten Einklänge steht, und nur an diesem Tage die von einem Oratorium zu erwartende Erbauung bewirken kann...“ Der Kurprinz verlangte abermals ein geistliches Gutachten. Konsistorialrat Piderit bescheinigte am 3. April lakonisch: „Der Text des Oratoriums, die Passion von Bach, entnommen aus den Evangelien ist vorzugsweise geeignet, in der Kirche aufgefiihrt zu werden und ist der Feier des Char freitags sehr angemessen.“ Die Aufführung scheint Spohr aber nicht voll befriedigt zu haben; am 17. April 1843 berichtete er Adolph Hesse: „...Am Charfreitage haben wir die Bach’sche Passion einmal wieder gegeben. Da aber von denen, die früher mitgewirkt hatten, nur noch wenige bey unsern Vereinen waren, so hat mir das Einüben der Chöre unendlich viel Mühe gemacht. Am Ende gings indessen doch gut...“ Moritz Hauptmann war mit Wirkung vom 1. September 1842 aus der Kasseler Hofkapelle ausgeschieden und zum Thomaskantor ernannt wor den. Damit war eine wesentliche Voraussetzung für die schon seit 1832 geplante Gründung der Bach-Gesellschaft erfüllt. Spohr stand in dauernder Verbindung mit seinem Schüler: 1846, 1849 und 1850 besuchte er ihn in Leipzig. Er gestand freimütig, daß Hauptmann durch jahrzehntelange Stu dien größere theoretische und musikgeschichtliche Kenntnisse als er be sitze. Spohr war jedoch Hauptmann als überragender Praktiker und Organi sator überlegen und hat als solcher gewiß bei den Vorbereitungen zur Gründung der Bach-Gesellschaft beratend mitgewirkt. Das war für ihn, der sich Jahrzehnte praktisch für eine Wiederbelebung von Kompositionen J. S. Bachs eingesetzt hatte, selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich wurde er 1850 Mitbegründer der Gesellschaft. An deren Arbeit nahm er bis zu seinem Lebensende regen Anteil. Als z. B. der bereits gebilligte Plan Moscheies’ 49 , denjenigen Bänden der Bach-Ausgabe, die Vokalmusik ent hielten, einen Klavierauszug beizugeben, durch Intervention Hauptmanns vereitelt werden sollte, schaltete sich auch Spohr ein. In einem Briefe an die Bach-Gesellschaft schrieb er: Er halte es durchaus für notwendig, daß die [ Bachschen Partituren ohne irgendwelche Zusätze in ihrer ursprünglichen ) Gestalt erschienen. Da man den Subskribenten aber einen Klavierauszug s zugesagt habe und in den meisten Singvereinen ein solcher zum Einüben 1 benötigt werde, solle man doch möglicherweise einen separaten heraus- J bringen, für den die Bach-Gesellschaft keine direkte Verantwortung trage. I Er halte dies für wichtig, weil ohne solche Hilfsmittel die Vokalwerke Bachs x; als tote Schätze in den Bibliotheken ruhten 50 . L Auch dem von K. J. Chr. Kloß unter Mitwirkung von F. Kühmstedt 1 1851 in Eisenach geplanten „Akademischen Joh.-Sebastian-Bach-Conser- «t 49 Ignaz Moscheies (1794-1870), Pianist und Komponist, Mitbegründer der Bach- Gesellschaft. 05 50 Das Original existiert nicht mehr. Eine Kopie des 1945 verbrannten Entwurfs stellte der Augsburger Spohr-Forscher Dr. F. Gothel in dankenswerter Weise zur Verfügung.