Zu einem neu entrechten Äutograph Bache Choral: Aus der Tiefen Von Yoshitake Kobayashi (Tokio, Japan) Neuentdeckungen Bachscher Werke oder Werkteile, und besonders solcher in autographer Aufzeichnungsform, gehören heute zu den sensationellen Ereignissen. So darf auch ein unlängst in Japan aufgefundener Choralsatz J. S. Bachs auf das lebhafte Interesse der Fachwelt rechnen. Im Zuge von Nachforschungen nach einem angeblich in Japan vorhandenen Autograph der Kantate BWV 80 1 wurde die unbekannte Handschrift von den Professoren Kozo Hattori und Ichiro Sumikura in der Mayeda Ikutoku Stiftung, die in naher Beziehung zur Nanki Music Library Tokio steht, 2 zufällig aufgefunden. 3 * Es handelt sich um einen Choralsatz für 5 unbezeich- nete Stimmen, von denen die unteren 2 im wesentlichen mit dem Schluß choral „Aus der Tiefen“ des ersten Teiles der Lukas-Passion (BWV 246, Nr. 40) identisch sind (siehe Faksimile). Im vorliegenden Aufsatz wird der Versuch unternommen, den Zusammen hang zwischen dem neuentdeckten Autograph und der Lukas-Passion zu klären. Uber seine Provenienz weiß man nur, daß ein Nachkomme des Stiftungs gründers Herzog Toshinari Mayeda, der sich zwischen 1927 und 1930 in London als Diplomat aufhielt, die Handschrift durch das Antiquariat Maggs Brothers erworben hat. 5 Zwecks Feststellung der Vorbesitzer unter suchten wir alle vom Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen erfaßten Auktionen von Bach-Handschriften, aber mit negativem Ergebnis. 6 Es ist aber sehr leicht möglich, daß das Stück als anonymes Werk behandelt worden ist, weil der Name Bach in der Handschrift fehlt. Gehörte das entdeckte Blatt etwa ursprünglich zum Autograph der Lukas- Passion (BB Mus. ms. Bach P ioif), aus dem es später nur herausgefallen ist? Der erste nachweisbare Besitzer der Lukas-Passion war der Thomas kantor Johann Gottfried Schicht. In der Auktion seines Nachlasses erstand sie Franz Hauser im Jahre 1832. Gleich am Anfang des Versteigerungs katalogs findet man die Bemerkung: i.Bach,J. S., Passions-Oratorium. Nach 1 Hierzu hatte Stanley Godman, Lewes, einige Hinweise gegeben. 2 Deren Katalog enthält keinen Nachweis zu BWV 80. 3 Beide Institutionen wurden von der adligen Familie Mayeda begründet, die seit et wa 100 Jahren in der japanischen Kulturgeschichte eine wichtige Rolle spielt. 0 Nach der Mitteilung von Herrn Prof. I. Sumikura umfaßt die Sammlung der Familie Mayeda 7 autographe Notenhandschriften — darunter Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin usw. — und 20 Briefe berühmter Musiker. 6 Nur im Versteigerungskatalog der musikalischen Bibliothek Carl von Winterfelds, Berlin 1857, steht unter Nr. 293 folgende Bemerkung: Bach, J. S. „Aus der Tiefe ruf’ ich dich“ 4 Singst, u. Orch. Part. H. S. Ungeachtet des offenbar inkorrekten Textzitates dürfte es sich hier — wie aus der Besetzungsangabe hervorgeht — um BWV 131 handeln.