Ein „Drama per Musica“ als Kirchenmusik. Zu Wilhelm Friedemann Bachs Aufführungen der Huldigungskantate BWV 205 a Von Hans-Joachim Schulze (Leipzig) Bis zum heutigen Tage gilt der Bach-Forschung die Überlieferung der Werke Johann Sebastian Bachs, soweit sie über dessen ältesten Sohn erfolgte, gro ßenteils als terra incognita. In welchem Ausmaße Wilhelm Friedemann aber tatsächlich Verluste an Kompositionen seines Vaters verschuldet hat, muß so lange ungewiß bleiben, wie ein systematischer Überblick fehlt, der zu einer wenigstens vorläufig abschließenden Antwort kommt. 1 Ein Mosaiksteinchen für jenen künftigen Bau soll im folgenden geliefert wer den. Schon seit längerem beschäftigt es die Forschung, doch haben widrige Umstände den längst fälligen Zugriff immer wieder hinausgezögert. Martin Falck, der zu Beginn des ersten Weltkrieges gefallene junge Musik historiker aus der Leipziger Schule (Riemann, Schering), hatte bereits um 1910 die Bestände der halleschen Bibliotheken im Hinblick auf Textbücher aus der Zeit W. F. Bachs durchgesehen und eine Reihe von Exzerpten ange fertigt, in die Druckfassung seiner Dissertation jedoch nur kürzestmögliche Hinweise in Tabellenform einbezogen. 2 Neuere Nachforschungen 3 vermoch ten das von Falck Vorgelegte wesentlich zu bereichern und einige seiner Zu weisungen zu berichtigen, konnten aber nicht in allen Fällen die von ihm be nutzten Drucke oder aber Parallelexemplare zu diesen ausfindig machen. So mußte es bislang auch bei der erstmals von Friedrich Blume 4 ausgesprochenen Vermutung bleiben, zwei von Falck als „jedenfalls von W. F. Bach“ kompo niert bezeichnete Texte mit dem verräterischen Anfang „Blast Lermen, ihr Feinde“ könnten etwas mit Joh. Seb. Bachs gleichnamiger Kantate zu tun haben. Falck selbst ist dieser Zusammenhang merkwürdigerweise entgangen, obwohl das Kantatenregister in der von ihm vielfach benutzten Bach-Biogra phie Philipp Spittas ihn sofort auf die richtige Spur hätte führen müssen. Da die Textexzerpte Falcks zum Glück noch existieren 5 und genauere Titel angaben (wenn auch keine Bibliothekssignaturen) enthalten, konnten die ver mißten Textdrucke jetzt ohne Mühe in der Universitäts- und Landesbiblio thek Halle (Saale) ermittelt werden. 1 Vgl. meinen Aufsatz Die Bach-Überlieferung - Plädoyer für ein notwendiges Buch, in: Musikgeschichte und Gegenwart. Rudolf Eller zum 60. Geburtstag (Ms.) und in Beiträge zur Musikwissenschaft 17, 1975. 2 M. Falck, Wilhelm Friedemann Bach. Sein Leben und seine Werke, Leipzig 1913 ; Re print (mit Geleitwort von W. Gurlitt), Lindau B. 1956, S. 139 ff- 3 W. Braun, Material zu Wilhelm Fri.edemann Bachs Kantatenaufführungen in Halle (1146-1-164), in: Mf iS, 1965, S. 267(1. In die Übersicht auf S. 269 könnten z. B. noch BWV 34 und 167 eingefügt werden. 4 MGG I, Sp. 1052. 5 Bach-Archiv Leipzig, Bestand Falck-Nachlaß.