Unbekannte Textdrucke zu drei Gelegenheitskantaten J. S. Bachs aus dem Jahre 1729 Von Hildegard Tiggemann (Bückeburg) Bei der Suche nach Musikalien aus der Zeit des Grafen Albrecht Wolfgang zu Schaumburg-Lippe (1699-1748) fand sich in der Fürstlich Schaumburg- Lippischen Hofbibliothek zu Bückeburg eine Sammlung von Gelegenheits schriften, die bisher unbekannte Textdrucke zu drei Kantaten Johann Sebastian Bachs enthält. 1 Die Sammlung stammt aus dem Besitz des Pastors Anton Gottfried Schlichthaber (1699-1758), von 1726 bis zu seinem Tode Pfarrer an St. Simeonis in Minden. 2 3 Die drei in Leipzig gedruckten Kantatentexte gehören zu einer Huldigungsmusik für Herzog Christian zu Sachsen-Weißenfels sowie zu zwei Trauungskantaten für Leipziger Bürger. Da nur ein kleiner Teil von Bachs Gelegenheitskompositionen überliefert ist, bereichert das Auftauchen dieser Textdrucke das Wissen um das Kantatenwerk des Thomaskantors. (Vollständi ger Faksimileabdruck auf den Seiten 11 -22). Die Huldigungskantate ist als unvollständiger Originalstimmensatz der Kantate „O angenehme Melodei“ BWV 210a erhalten. 1 Sie ist nach 1735 an den Leipziger Gouverneur Joachim Friedrich von Flemming (gest. am 11. Okt. 1740) gerichtet, aber nicht in der ursprünglichen Textfassung, denn für die Entstehung der Kantate konnte durch den Schrift- und Wasserzeichenbefund der Zeitraum von Herbst 1727 bis Frühjahr 1732 ermittelt werden. 4 Der vorliegende Textdruck 5 belegt, daß Bach die Kantate am 12. Januar 1729 dem 1 Frau Gunhild Nothhoff, Bibliothekarin im Niedersächsischen Staatsarchiv Bückeburg, machte freundlicherweise auf die Sammelbände aufmerksam. Dafür und für manche Hilfeleistung sei ihr an dieser Stelle gedankt. S H D Fürst Philipp Ernst zu Schaumburg- Lippe danke ich für die freundlich erteilte Benutzungserlaubnis der Bände aus der Fürstlichen Hofbibliothek. 2 Zu Schlichthaber siehe F. W. Bauks, Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit bis 1945, Bielefeld 1980, S. 438, und die - nur bis 1728 reichende - Autobiographie in A. G. Schlichthaber, Das Evangelisch-Lutherische Mindische Pre- diger-Gedächtniß, in fünf Theilen vorgestellet, Rinteln 1749/55 (Reprint Bad Honnef 1979), Teil 2, S. 301 ff. Die Sammlung umfaßt heute noch etwa 1600 Gelegenheits schriften aus der Zeit zwischen 1660 und 1750 in sechs Bänden. Der reiche Bestand an Leipziger Drucken der Jahre 1728 und 1729 dürfte Schlichthaber von Pastor Philippe Pelisson (1735-1740 französisch-reformierter Prediger in Minden) bei dessen Umzug nach Bremen überlassen worden sein. Pelisson kam 1735 von Leipzig nach Minden. Ein lebhafter Gedankenaustausch unter den Akademikern im Raum Minden-Bückeburg ist nachweisbar. 3 Einzelne Textänderungen weisen auf eine weitere, noch spätere Aufführung. Vgl. NBA 1/39 Krit. Bericht, S. 99 f. (W. Neumann) und BC G 29. 4 Vgl. BC G 29. 5 Schaumburg-Lippische Hofbibliothek Bückeburg, Cb 76 II, Nr. 6. 1 Bogen in Folio (32 x 21 cm). Das Wasserzeichen (MA in Schrifttafel, überkrönt, mit angehängter Weintraube) erscheint regelmäßig in den Leipziger Textdrucken der Schlichthaber-