"Bekennen will ich seinen Namen" : authentizität, Bestimmung und Kontext der Arie BWV 200 ; Anmerkungen zu Johann Sebastian Bachs Rezeption von Werken Gottfried Heinrich Stölzels
..Bekennen will ich seinen Namen" 133 Bekennen will ich seinen Namen. Er ist der Herr, er ist der Christ, In welchem aller Völker Samen Gesegnet und erlöset ist. Kein Tod raubt mir die Zuversicht: Der Herr ist meines Lebens Licht. Irmgard Scheitler verdanke ich den Hinweis, daß das hier verwendete Versschema sowohl aus geistlichen als auch aus weltlichen Dichtungen des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts geläufig ist. Die vermutete strophische Anlage des Texts wird durch den Devisencharakter der letzten beiden Zeilen unter strichen. die vielleicht als Refrain konzipiert waren. Ein formales Vorbild wäre Martin Opitz’ seinerzeit weit verbreitete Lieddichtung ,.Wohl dem. der weit von hohen Dingen“. Auch Georg Neumarks bekanntes Lied „Wer nur den lieben Gott läßt walten" folgt diesem Schema. Der Autor des Texts von „Be kennen will ich seinen Namen" dürfte somit unter den Lieddichtem des frühen 18. Jahrhunderts zu suchen sein; seine Verse könnten entweder eine Zusatz strophe zu einem bekannten Lied oder aber Teil einer eigenständigen, offenbar mehrstrophigen Dichtung „im Ton“ einer etablierten Vorlage darstellen. Der dann naheliegenden Schlußfolgerung. BWV 200 sei eigentlich eine Strophen arie - vergleichbar mit der 2005 entdeckten Weimarer Aria „Alles mit Gott" BWV 1127 31 steht allerdings entgegen, daß der Text „Bekennen will ich seinen Namen“ nicht so recht als Eröffnungsstrophe einer mehrstrophigen Dichtung (die dann einst dem Autograph auf einem separaten Blatt beigelegen haben müßte) taugt. Somit ist weiterhin auch mit der - bislang ausschließlich in Erwägung gezogenen - Möglichkeit zu rechnen, daß mit BWV 200 ein Bruchstück aus einer mehrsätzigen Kantate mit liedartigen Arien vorliegt. 12 Allerdings ist der Fragmentcharakter des Werks keinesfalls als erwiesen zu betrachten; die strophische Gestalt der Dichtung eröffnet auch andere Per spektiven: Als einzeln stehendes kurzes Figuralstück könnte es sich zum Beispiel um eine Kommunionsmusik handeln. 33 Doch auch eine Aufführung außerhalb der Kirche, etwa als erbauliches Lied für die Privatandacht (oder allenfalls für eine kleine Zeremonie) in der „Kammer“, muß in Betracht gezogen werden. Und schließlich darf die Möglichkeit nicht außer acht gelassen werden, daß hier ein Gelegenheits- oder Auftragswerk vorliegt, das gar nicht in Bachs eigenes Repertoire einging, sondern unmittelbar an einen 31 M. Maul. „Alles mit Gott und nichts ohn' ihn" - Eine neu aufgefundene Aria von Johann Sebastian Bach. BJ 2005. S. 7-34. 32 Liedhafte Arien (ohne Da capo) finden sich in dem im zweiten Abschnitt dieses Beitrags diskutierten Kantatenjahrgang „Das Saiten-Spiel des Hertzens“ des schle sischen Dichters Benjamin Schmolck. 33 Vgl. U. Wolf, Überlegungen zu Bachs Kommunionsmusiken, BJ 1999. S. 133 bis 139.