..Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ BWV 1128 Quellenkundliche und stilistische Überlegungen Von Stephan Blaut (Halle/S.) und Hans-Joachim Schulze (Leipzig) I* ..Es scheint mir. daß die einseitige Betonung der quellenkundlichen Methode über wunden ist und daß wir uns in einer neuen, stärker stilkritisch bestimmten Periode be finden. Das moderne Interesse an der musikalischen Analyse begünstigt diese Ent wicklung. Hinzu kommt das Vertrauen, die Stilkritik mit Hilfe statistischer Verfahren einmal zu einer exakten Wissenschaft entwickeln zu können. Die Quellenkunde hat es deshalb wieder mit einem selbstbewußten Partner zu tun, mit dem sie bei der Echtheits kritik Zusammenwirken muß. Der Erfolg wird davon abhängen, ob sich die beiden Methoden besser als bisher in ihre Aufgaben teilen werden. Quellenkundliche und sti listische Argumente kann man nämlich nicht beliebig gegeneinander ausspielen. Beide haben ihren eigenen Zuständigkeitsbereich, ihre Ergebnisse haben unterschiedliches Gewicht, je nach den methodischen Ansatzpunkten, die das spezielle Werk, seine Zeit und sein Wirkungskreis bieten.“ 1 Nirgends sind musikalische Quellenkunde und Stilkritik stärker aufeinander angewiesen, als bei der Echtheitsdiskussion. Vom beschwerlichen Umgang mit unsicheren Kantonisten wissen zumal Editoren der Supplementbände von Gesamtausgaben und Bearbeiter von Werkverzeichnissen ein Lied zu singen. Wenn ein vor zwei Jahrzehnten unternommener Versuch, für die Lösung von Echtheitsfragen grundsätzliche Kriterien zu erarbeiten und damit die bislang vorherrschende, auf den Einzelfall zielende pragmatische Verfahrensweise zu überwinden, als trotz intensiver Bemühungen und guten Willens aller Be teiligten letzten Endes gescheitert gelten muß, : so ist abzusehen, daß die Aufnahme einer „neuen" Komposition in den Kanon der für echt gehaltenen Werke sich auch künftig als keineswegs risikoloses Unternehmen darstellen wird. Dies gilt ohne Abstriche für die Johann Sebastian Bach zugeschriebene Choralfantasie „Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ (olim BWV Anh. 71), Im Gedenken an den 90. Geburtstag von Georg von Dadelsen (1918-2007) am 24. November 2008. ! G. von Dadelsen. Methodische Bemerkungen zur Echtheitskritik, in: Musicae Scien- tiae Collectanea. Festschrift Karl Gustav Feilerer zum siebzigsten Geburtstag am 7. Juli 1972. Köln 1973. S. 78-82. hier S. 78f. : Vgl. H. Bennwitz (et al.), Opera incerta. Echtheitsfragen als Problem musikwissen schaftlicher Gesamtausgaben. Kolloquium Mainz 1988 (Bericht), Stuttgart 1991. insbesondere S. 48-64.