14 Stephan Blaut und Hans-Joachim Schulze Viele andere Bachiana Kötschaus - insbesondere Choralbearbeitungen - gingen 1845 an den aus Berlin stammenden, dort kurz nach 1800 einige Zeit der Sing-Akademie angehörenden und seit 1810 als Direktor des Collegium Fridericianum in Königsberg tätigen Sammler Friedrich August Gotthold (1778-1858), 11 den die Sorge um das künftige Schicksal seiner reichen Kollektionen allerdings schon 1852 veranlaßte, sie der Staats- und Univer sitätsbibliothek Königsberg zum Geschenk zu machen. Erst ein Vierteljahr hundert nach der Kötschau-Auktion ließen sich die dort erworbenen Quellen wieder nachweisen: Der von Joseph Müller (1839-1880) unter großen An strengungen und gegen erhebliche Widerstände seiner Vorgesetzten zusam mengetragene Katalog „Die musikalischen Schaetze der Koeniglichen- und Universitaets-Bibliothek zu Koenigsberg in Pr. aus dem Nachlasse Friedrich August Gottholds“ (Bonn 1870) nennt auf S. 93-94 unter der Rubrik Ab schriften als Nr. 29 ein Konvolut „24 Hefte Orgelcompositionen von J. S. Bach“ mit der Signatur Rfa 6 foL Hier erscheint als Nr. 5 „Fantasia Sopra il Corale ,Wo Gott der Herr nicht bey uns hält 4 pro Organo ä 2 Clav, e Pedale. 4 Fol.“ Wilhelm Rust, seinerzeit noch in Berlin tätig und seit langem als Spiritus rector der 1851 begonnenen Bach-Gesamtausgabe wirkend, dürfte durch die Katalogeintragung veranlaßt worden sein, die Sammelmappe auf dem Fern leihwege nach Berlin kommen zu lassen, ihren Werkbestand hier zu unter suchen und einzelnes erforderlichenfalls abzuschreiben. Eine von ihm in diesem Zusammenhang angelegte Inhaltsübersicht, deren Ermittlung im Rust- Bestand der SBB 12 ebenfalls Stephan Blaut und Michael Pacholke zu danken ist, ist in Tabelle 1 wiedergegeben. Rusts Verzeichnis läßt auf einen hetero genen Quellenkomplex schließen, dessen Bestandteile möglicherweise auf unterschiedlichen Wegen und zu verschiedenen Zeiten nach Schulpforta und in die Sammlung Kötschau gelangt sind. Das wichtigste noch unveröffentlichte Werk schrieb Rust am 8. September 1877 ab und formulierte als Titel: „Fantasia sopra il Choräle I Wo Gott der Herr nicht bey uns hält etc. I pro Organo ä 2 Clav, e Pedale I dal Sig. J. S. Bach. I Nach einer sehr correcten alten Handschrift I auf der Kgl. Bibliothek zu Königsberg I sig: No. 5.“ Das von ihm in der erwähnten Quellenliste vermerkte Wasserzeichen - Buchstaben A und M - läßt sich als „Arnstädter A“ und „JMS“ (Initialen des 1714 bis 1760 als Inhaber der Papiermühle Arnstadt be legten Johann Michael Stoß) deuten, so daß die „alte Handschrift“ ver mutungsweise im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts und in Thüringen 11 Vgl. W. Braun, Mitteldeutsche Quellen der Musiksammlung Gotthold in Königsberg, in: Musik des Ostens. Sammelbände der J. G. Herder-Forschungsstelle für Musik geschichte. Bd. 5, hrsg. von F. Feldmann, Kassel 1969. S. 84-96. 12 Signatur Nach!. Rust 1.