J. S. Bach und die Universität Leipzig - Neue Quellen 175 In einer Denkschrift vom 29. Mai 1720, 55 in welcher der Thomaskantor den Stadtvätem sein Konzept einer zwischen den Kirchen St. Nikolai, St. Thomas und der Neukirche alternierenden Figuralmusik vorstellte, werden die Uni versitätsgottesdienste mit keinem Wort erwähnt. Offenbar spielten sie bei sei nen Überlegungen zur Neuorganisation der Kirchenmusik inzwischen keine Rolle mehr. Leider nur recht unpräzise berichtet Christoph Emst Sicul. daß in den Gottesdiensten der Paulinerkirche nach der Predigt über das verordnete Evangelium „dann und wann/ zumal in Fest-Tagen und in den Messen/ von denen Flerren Studiosis unter Herrn Kuhnauens Direction gar vortreffliche Concerten figuriret werden“. 56 Da figurale Kirchenmusik auch während der drei Messewochen (zu Neujahr. Ostern und zu Michaelis) zu hören war, müs sen die Aufführungen auch in den „Neuen Gottesdiensten“ stattgefunden haben. Das Verhältnis zwischen Johann Kuhnau und den Universitätsbehörden blieb weiterhin gespannt, wie das Protokoll des Konzils vom 22. April 1716 be legt: Hette der Cantor Cuno ein Protestation Schreiben eingegeben, und darinnen verlanget, daß Keiner zum Orgelschlagen in der Pauliner Kirche möchte ohne sein Vorwißen angenommen werden. Hierauff Wurde beliebet. Es möchte Cuno in leidlichen Terminis sich erklähren. und ohne der Universitcet Vorbewußt Niemanden das Orgelschlagen in der Pauliner Kirche auf tragen. 57 Die Besetzung der Organistenstelle war inzwischen eine Angelegenheit der Universität geworden. Nachdem Johann Gottlieb Gömer am 29. April 1721 zum Nikolai-Organisten gewählt worden war, beriet das Konzil am 6. Mai 1721 über die Neubesetzung der Stelle des Universitätsorganisten und ent schied, daß beim Kantor „Erkundigung eingezogen, auch deßen Gutachten“ über die Bewerber abgewartet werden solle. 58 Am 24. Mai 1721 wurde im Konzil über die Neubesetzung dann folgendermaßen beraten: 1.) Beträffe die racarct-gewordene Organisten-Stelle in der Pauliner-Kirche, und hätten sich darzu 5. Studiosi, benannt. 55 „Project, welcher Gestalt die Kirchen Music zu Leipzig könne verbeßert werden“, Universitätsbibliothek Leipzig, Signatur: Rep. III 15e\ der Text ist vollständig wie dergegeben bei Spitta II. S. 866-868. 56 C. E. Sicul, NEC) ANNALIUM LIPSIENSIUM CONTINUATIO II. Oder Des mit dem I7I5ten Jahre Neuangegangenen Leipziger Jahr-Buchs Dritte Probe, auf das Jahr 1717 ausgefertigt, Leipzig (1717), § 16. S. 575. 57 UAL. Rep. III /// I B II8, fol. 64r+v. 58 UAL. Rep. 11XVII / 29, fol. 80r-81 r.